—- 50 —
blieb Tisza schuldig. Da sich aber Tisza bei dieser Gelegenheit
auf die Konstruktion Szilagys berief, so kann seine weitere Er-
klärung, daß ein den GA. XII. abänderndes ungarisches Ge-
setz mit der Sanktion volle Gültigkeit erlange, seine Bestim-
mungen über die gemeinsamen Angelegenheiten aber erst
durch ein gleiches Gesetz des anderen Staates wirksam wer-
den können, nicht anders verstanden werden als daß, was diesen
letzten Punkt anbelangt, wohl ein formal gültiges aber we-
gen seiner Beziehung auf den anderen Staat noch nicht ma-
teriell wirksames Gesetz vorliege. Aber in der Sitzung
vom 26. November 1903 verknüpfte Tisza mit dieser Theorie eine
sophistische Verdrehung der Bemerkung des österreichischen
Ministerpräsidenten Dr. von Körber im österreichischen Abgeord-
netenhause, daß eine „einseitige Aenderung des Ausgleichs prak-
tisch nicht wirksam werde, wenn sie nicht bei der Aufhebung des
Dualismus bei der Personalunion landen solle*, indem er diese
nicht glücklich stilisierte, aber doch verständliche Wendung
durch welche die Meinung von der Möglichkeit einseitiger Aen-
derung durch eine daraus abgeleitete zu verwerfende fol-
gernde ad absurdum geführt werden sollte, mit Genugtuung als
Anerkennung der weitestgehenden ungarischen staatsrecht-
lichen Anschauung pries, daß durch einseitige Aenderung des
ungarischen Ausgleichsgesetzes sogar die Personalunion
wirksam herbeigeführt werden könne?®?! Im praktischen Erfolg hat
sieh Tisza auf den Boden dieser letzteren Anschauung
begeben, indem er dem Punkt 8 des Neuner-Komitees der liberalen
242 Eis ist deshalb nicht richtig, wenn ZOLGER a. 4.0. S. 253 ausführt,
Tisza habe zwar die Zulässigkeit der vollständigen einseitigen Aufhebung,
nicht aber jene der einseitigen Aenderung des ung. Ausgleichsgesetzes
vertreten. Richtig ist vielmebr, daß Tısza zunächst, wie schon LUST-
KANDL hervorgehoben hat, von der Theorie SZILAGHYs ausgegangen und
bei der Zulässigkeit vollständig freier Verfügung über das ung. Gesetz nicht
bloß, was dessen Aufhebung, sondern auch was dessen Aenderung an-
belangt, gelandet ist.