Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 31 (31)

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beispiellose Unklarheit begreiflich werden kann, in welche die 
Rechtswissenschaft mit ihren Fundamenten geraten ist. Nur 
das für ein Verständnis des speziellen Problems dieser Abhand- 
lung Notwendige soll hier gegeben werden. Und da muß 
immer wieder daran erinnert werden, daß die für unser 
modernes Rechtssystem höchst charakteristische Unterscheidung 
zwischen jus privatum und jus publicum dem römischen Rechte 
entstammt. Wenn man den rechtstheoretischen Wert dieser 
Distinktion beurteilen will, ist es vielleicht nicht überflüssig 
sich zu vergegenwärtigen, daß die Römer, so bedeutend ihre 
Leistung auf dem Gebiete der Rechtserzeugung und Rechts- 
anwendung, kurz auf dem Gebiete der Rechtspraxis war, den- 
noch — oder .gerade deshalb? — keine Rechtstheorie, 
kein logisch geschlossenes System von Rechtsbegriffen ge- 
schaffen haben. Sie waren ein eminent praktisches Volk, aber 
sie hatten so gut wie gar keinen Sinn für Abstraktion. Wie 
überhaupt keine Philosophie, so hatten sie auch keine 
Rechtsphilosophie, weder eine materielle noch eine formale. Und 
so sind denn auch ihre rechtssystematischen Versuche durchaus 
unzulänglich ®, ‚Das römische Institutionensystem, das den 
3 Treffend führt schon Arnold (Kultur und Rechtsleben, Berlin, 
1865) aus, daß die Besonderheit der römischen Rechtsbildung und Rechts- 
entwicklung, die auf der einen Seite einen so großen Vorzug des römi- 
schen Rechtes bildete, der Ausbildung eines theoretischen Systems hin- 
derlich war. ‚Die Theorie des Rechtes hatte in Rom überhaupt nicht 
die Bedeutung wie bei uns.“ Die Anordnung des Stoffes erfolgte mehr 
nach praktischen, als nach theoretischen Gesichtspunkten. Und was 
besonders wichtig ist: Die Römer haben sich niemals zu dem einem 
formaltheoretischen Bedürfnis entspringenden Gedanken erhoben, ‚daß 
die Summe aller zu einer gewissen Zeit geltenden Rechtssätze zugleich 
ein eigenes in sich geordnetes Ganzes bilde, das schon um seiner selbst 
willen Wert und Bedeutung hat“. Dazu kommt eine verhältnismäßig 
geringe Abstraktionsfähigkeit der römischen Juristen: ‚Denn so abstrakt 
das Recht sein mag, es konnte doch die Entwicklungsstufe des Alter- 
tums nicht überspringen und diese blieb im ganzen viel mehr am $inn- 
lichen und Konkreten haften als wir es tun... Alle Begriffe des römi-
	        
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