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ersten Versuch eines Zivilrechtssystemes enthielt, ist für unsere
Zwecke vollkommen unbrauchbar“ Man hat längst ein-
gesehen, daß es schlechterdings unmöglich ist, ohne den logischen
Bedürfnissen einer erschöpfenden Systematik Gewalt anzutun,
unsere allgemeinen Rechtsbegriffe in die drei Kategorien per-
sona, res, actio einzuzwängen ®. An der Zweckmäßigkeit und
logischen Durchführbarkeit der gleichfalls spezifisch römisch-
rechtlichen Einteilung in Privat- und öffentliches Recht hat
man aber nicht nur niemals ernstlich gezweifelt *, sondern hat
sie zum Fundament der ganzen modernen Rechtstheorie ge-
macht. Und doch müßte einem eigentlich um dieses Funda-
ment und das ganze auf ihm errichtete Gebäude bange werden,
wenn man sich vergegenwärtigt — was man heute freilich nur
allzuleicht vergessen hat — daß diese Einteilung des gesamten
Rechtsstoffes für die Römer viel weniger bedeutet hatte als ihr
Institutionensystem, das sich nur auf ein Teilgebiet und zwar
jenes bezog, das ihnen weit mehr am Herzen lag als alles übrige.
Die Unterscheidung in jus privatum und publicum ist denn auch
tatsächlich nur beiläufig, ohne tiefere Begründung und ohne
schen Rechtes, selbst die der klassischen Jurisprudenz, erscheinen des-
halb im Vergleich mit denen der heutigen Wissenschaft konkret und
sinnlich .. So waren denn auch die römischen
Begriffe an sich weniger zumAufbau eines $Sy-
stems geeignet als die unsrigen, ganz abgesehen davon, daß es
den Römern an einem Anlaß fehlte, besondere Kraft und Mühe darauf
zu verwenden‘. A. a. O. S. 403—406.
* Arnold, a. a. O. S. 406.
5 Arnold, a. a. O. S. 406.
° Die einzige, wissenschaftlich ernst zu nehmende Kritik und
Ablehnung des Gegensatzes von privatem und öffentlichem Rechte
findet sich in einem Aufsatze von Prof. Dr. Franz Weyr: Zum Problem
eines einheitlichen Rechtssystems. Archiv für öffentliches Recht 1908,
S. 529 ff. Die Arbeit hat allerdings bisher in der deutschen Literatur
überhaupt keine Beachtung gefunden. Auch ich bin auf sie erst nach Ab-
schluß der vorliegenden Abhandlung durch eine perönliche Mitteilung
des Verfassers hingewiesen worden.