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wohnheiten, Privilegien und hergebrachten Rechten der Städte
und Landschaften‘ 12, d. h. durch das Recht determiniert, in
Rechtsschranken gepreßt, gehandhabt werden mußte, strebt
aus diesen engen Grenzen des Rechtes hinaus: ‚‚mehr obrig-
keitliche Machtentfaltung, mehr staatliche Tatkraft ist das
Hauptverlangen‘“ 1%, Nicht nach den Vorschriften der Rechts-
ordnung, sondern lediglich nach Instruktionen des Fürsten sol-
len berufsmäßig angestellte und besoldete Verwaltungsbeamte
die Staatsgeschäfte führen , die Staatsgewalt handhaben.
Der Fürst aber — und mit ihm der ganze Verwaltungsapparat
seiner Beamten, und in ihm der Staat — soll nach römischem
Muster außerhalb der Rechtsordnung stehen, soll legibus solu-
tus sein!
Es ist keine bloße Ungenauigkeit der Terminologie, es ist
eine verhängnisvolle Verdunkelung des Rechtsbegriffes und
der Rechtsidee, wenn man in diesem Erfolg des corpus juris
eine Rezeption des römischen Staatsrechtes sieht, und nun
meint, an Stelle des deutschen sei das römische Staatsrecht —
ganz oder zum Teil — getreten. In Wahrheit ist an Stelle des
deutschen Staatsrechtes, an Stelle der Rechtsnormen, durch
welche der deutsche Staat als solcher gebunden, rechtlich de-
terminiert war, ist an Stelle eines wirklichen Staatsrechtes
jener Zustand getreten, der für die römische Staatsgewalt cha-
rakteristisch war: die Freiheit von allem Recht, die Negation
des Staatsrechtes. Es gab kein deutsches Staatsrecht
mehr, wie es kein römisches Staatsrecht gab, denn der deut-
sche Staat war kein Rechtsstaat mehr, so wie der römische
Staat kein Rechtsstaat war, soweit der Grundsatz galt: prin-
ceps legibus solutus est.
2 A. a. 0. 8. 42/48.
1 A. a. 0. 8. 40.
u A. 3. 0. S. 42.