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Der Polizeistaat, der sich nach Ueberwindung jener Pe-
riode etablierte, in welcher die Staatsgewalt durch sog. landes-
herrliche Hoheitsrechte (also rechtlich beschränkt ent-
faltet wurde, wird gewöhnlich mit dem vollständigen Man-
gel dieser wie jeder anderen Rechtsschranken charakterisiert.
„Die schrankenlos gewordene öffentliche Gewalt wird ausgeübt
durch den Fürsten selbst, und unter ihm in seinem Namen und
damit zugleich im Namen des Staates durch verschieden-
artiges Beamtentum‘“ ", das seinen Anteil an der Besorgung
der Staatsgeschäfte durch den Fürsten zugewiesen erhält 18,
Die Staatsgewalt ist im Fürsten beschlossen. Die Person des
Staates tritt gleichsam körperlich im Fürsten in die Erschei-
nung. ‚Dem Untertanen gegenüber hat seine Macht keine
rechtlichen Grenzen; was er will, ist verbindlich“ ®,
Seine Willensäußerung — mag sie nun generellen oder indi-
viduellen Inhaltes sein — ist Rechtsnorm, statuiert Rechts-
pflicht; der Fürst ist Subjekt der Rechtsautorität. Aber er
ist nicht der Rechtsordnung unterworfen, er — d.h. die in
ihm verkörperte, in ihm beschlossene Staatsgewalt ist nicht
Rechtssubjekt, nicht Subjekt von Rechtspflichten und subjek-
tien Berechtigungen. Die Staatsgewalt wird lediglich als Herr-
schafts, Macht, Gewaltsubjekt — nicht als der Rechtsordnung
unterworfene Person vorgestellt. Wenn ein vom Fürsten erteil-
ter Befehl als rechtsverbindlich angesehen wird, so ist eine
weitere juristische Rechtfertigung überflüssig: Man
fragt nicht: Warum hat dieser Befehl die Rechtspflicht des Ge-
horsams im Gefolge? Durch welche Rechtsnorm wird an die
sen Tatbestand (des Befehles) eine Rechtswirkung geknüpft?
Der Befehl selbst ist die Rechtsnorm;; denn der Satz: Alles, was
1? Otto Mayer, Deutsches Verwaltungsrecht I. Leipzig, 1895.
18 A, a. O. 8. 39.
1 A, a. O. 839.
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXI. 1. 5