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Neben der alten Interessenlehre macht sich insbesondere
auf dem Gebiete des Verwaltungsrechtes eine Theorie geltend,
die das entscheidende Kriterium zwischen privatem und öffent-
lichem Rechte nicht so sehr im Momente der zu realisierenden
Interessen, als in der Qualität der beteiligten Subjekte
sehen will ?°. Wo nicht gleichgeordnete, sondern über- und
untergeordnete Subjekte einander in einem Herrschaftsver-
hältnis gegenüberstehen, dort soll öffentliches und nicht privates
Recht gegeben sein. Es sind somit eigentlich zwei Kriterien,
die in der heutigen Theorie nicht scharf genug auseinanderge-
halten werden: die Qualität der in Relation stehenden Rechts-
subjekte und der Inhalt des zwischen den Subjekten bestehen-
den Rechtsverhältnisses. Daß beide Kriterien nicht identisch
sind, wird sich bald zeigen.
Der Begriff des Rechtsverhältnisses, der für diese Herr-
schaftstheorie von Bedeutung ist, kann in einer doppelten
Weise gestaltet werden. Jedes Rechtsverhältnis stellt sich dar
als das Verhältnis eines Verpflichteten oder eines Berechtigten,
oder als eine einfache oder mehrfache Kombination beider. Die
Rechtspflicht und die Berechtigung sind die letzten subjek-
tiven Einheiten, aus denen sich jede Rechtsfigur zusammen-
setzt. Bedient man sich nun einer rein formalen Methode, hält
man an der Erkenntnis fest, daß Recht nur Form, niemals In-
Daß die irrtümliche Uebertragung der naturwissenschaftlichen Methode
auf die allgemeine Rechtslehre den logisch unhaltbaren Gegensatz zwi-
schen privatem und öffentlichem Rechte aufrecht erhalte, behauptet
Weyr a. a. O.S. 538 ff. So treffend seine Ablehnung der naturwissen-
schaftlichen Methode für die Rechtstheorie ist, so korrekt seine Auf-
fassung der allgem. Rechtslehre als ‚abstrakte Normenlehre“ (a. a. O.
9. 542), so muß doch seine Charakterisierung der juristischen Methode
(der allgem. Rechtslehre) abgelehnt werden, wenn er behauptet, sie stehe
dem künstlerischen Schaffen nahe ($. 548). Zwar hat Weyr ihren synthe-
tisch-konstruktiven Charakter richtig erkannt, allein das Wesen einer
spezifisch normativen Methode ist ihm noch fremd geblieben.
“ Vgl. Layer, Prinzipien des Enteignungsrechtes, Leipzig 1902. S. 331.