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irgendein Landtag beschließen, daß ein oder der andere ihm über-
lassene Gegenstand der Gesetzgebung im Reichsrate behandelt
oder erledigt werde, so übergeht ein solcher Gegenstand für die-
sen Fall und rücksichtlich des betreffenden Landtages in den
Wirkungskreis des Reichsrates*. Nun muß zunächst festgestellt
werden, daß der Reichsgesetzgeber, um seine Kompetenz über die
von ihm im $ 11 gezogene Grenze auszudebnen. kraft seiner
Kompetenzhoheit keiner Delegation seitens des Landesgesetzgebers
bedarf. Durch ein mit den Garantien des $ 15 des Grundgesetzes
über die Reichsvertretung ausgestattetes. reichsverfassungsändern-
des Reichsgesetz kann der erwünschte Zweck realisiert werden.
Die Bestimmung des $ 12 Abs. 2 hätte vom Standpunkt der Reichs-
verfassung nur die Bedeutung, daß, im Falle ein delegierender
Landtagsbeschluß vorliegt, die Garantien des $ 15 außer acht ge-
lassen werden können. Vom Standpunkt der Landesverfassung
aber ist sie ungültig. Eine Einschränkung der durch die
Landesordnung von 1861 gezogenen Kompetenz ist kraft Lan-
desordnung nur durch Landesgesetz, nicht aber dureh bloßen
Landtagsbeschluß (wie $ 12 Abs. 2 der Grundgesetze in der Reichs-
verfassung vorschreibt) möglich. Was aber jene Kompetenzen
betrifft, mit denen das Grundgesetz über die Reichsvertretung von
1867 den Wirkungskreis der Landtage (so wie er 1861 gezogen
wurde) zu erweitern versuchte, so stehen sie, soferne die Landes-
ordnung nicht durch Landesgesetz in diesem Sinne abgeändert
wurde, der Landesgesetzgebung gar nicht zu. Auf sie kann vom
Standpunkte der Landesverfassung, also weder durch Landtagsbe-
schluß noch durch gewöhnliches Landesgesetz verzichtet werden.
Eine Delegation an den Reichsgesetzgeber wäre nur auf Grund
eines die Landesordnung nach $ 38 abändernden Landesgesetzes
möglich, das die Kompetenzgrenze der alten Landesordnung er-
weitert, um die neue Kompetenz dem Reichsrat zu übertragen.
Daß der Reichsgesetzgeber in diesem Falle nur als Delegat des
Landesgesetzgebers fungiert, ist selbstverständlich; und ebenso