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gestattet, als dies in Frankreich und in den deutschen Staaten
der Fall ist. Er betrifft die geistige Tätigkeit der Geschworenen
bei der Findung des Wahrspruches. In Frankreich setzte man in
den Laienrichtern das Rechtsgefühl auf den Thron. Man forderte
von den Geschworenen nicht nur keine Gründe für ihren Wahr-
spruch. Man war sogar überzeugt, daß der Wahrspruch nicht
durch logische Erwägungen, sondern durch ein gefühlsmäßiges
Erkennen zustande kommen müsse. Ohne Rücksicht auf die vor-
gebrachten Beweise, ohne gewissenhafte Abwägung des Für und
Wider, einfach durch eine Art intuitiven Schauens, durch eine
Art göttlicher Offenbarung sollte der Geschworene zur Erkennt-
nis der Wahrheit gelangen. Es war kein Wunder, daß bei sol-
cher Anschauung von den Berufsrichtern zu den Geschworenen
kein Weg führte. Ihre Tätigkeit war eine grundverschiedene und
ein Zusammenarbeiten und gegenseitiges Fördern schon darum
ausgeschlossen. Die praktischen und nüchternen Engländer haben
solch verstiegenen Vorstellungen niemals Raum gegeben. Sie
fordern grundsätzlich von den Geschworenen genau die gleiche
verstandesmäßige Erwägung, wie von dem Berufsrichter. Der
Geschworene soll nicht auf Grund vager und schattenhafter Ein-
drücke das Urteil wie einen „Schrei der Natur“ ım Halbschlafe
von sich geben. Er soll die Ergebnisse der Beweisaufnahme
sorgfältig in sich aufnehmen, und gleich wie der Richter das
Urteil in gewissenhafter und mühsamer Verstandesarbeit erringen.
Auf diesem Boden ist natürlich ein Zusammenarbeiten zwischen
beiden Faktoren viel leichter möglich. Der Richter weiß in der
Leitung der Verhandlungen und bei der Abgabe der Rechtsbe-
lehrung sehr wohl, daß er es mit Menschen zu tun hat, die gleich
ihm den guten Willen haben, rechtschaffen über den Fall nach-
zudenken und in verständiger Abwägung aller Umstände das
Recht zu finden, Zwischen ihn und die Geschworenen schiebt
sich nicht als Unfaßbares, Unwägbares und darum auch Unbe-