— 262 —
gesetze, die SARAN noch nicht hatte berücksichtigen können, mit diesen
Erläuterungen versehen hätte, während er tatsächlich sich auf ihre bloße
Inhaltsangabe beschränkt hat Kormann.
Manfredi Siotto-Pintör, Le riforme del regime elettorale e
le dottrine della rappresentanza politica e del!
elettoratonelsecolo XX. Rom, Athenaeum. 146 S. 8°.
In diesem Buch will der Verfasser nicht eine erschöpfende Darstellung
der repräsentativen Institutionen geben, sondern nur eine summarische Ueber-
sicht der Haupttendenzen, die in Doktrin und Praxis heute in dieser Materie
herrschen. Es liegt auf der Hand, daß das italienische Recht und seine
wissenschaftliche Bearbeitung im Vordergrund der Darstellung stehen.
Im ersten Kapitel werden die Wahlreformen, die im letzten Jahrzehnt
in einer Reihe europäischer Staaten vorgenommen worden sind, einer kurzen
Betrachtung unterzogen. Dabei werden die grundlegenden Vorläufer dieser
Reformen nicht unerwähnt gelassen. Länder wie die Türkei, Persien, Ruß-
land, Montenegro, Serbien, Indien, Südafrika zieht SIoTTo-PINToR nicht in
den Kreis seiner Darstellung, weil dieselben entweder erst am Anfang
modernen politischen Lebens stehen oder sich vom modernen Staatstyp so
sehr unterscheiden, daß sie nicht in einer Betrachtung allgemeiner Natur
Platz finden können. Am Ende des ersten Teils bedauert der Verfasser mit
Recht, daß Italien so spät in die Reihe der wahlreformerischen Staaten
eingetreten ist. Seit ungefähr dreißig Jahren hat das italienische König-
reich im Wahlrecht keine Fortschritte mehr gemacht. Einzig im Jahre
1891 wurde der Einerwahlkreis wieder eingeführt. Nicht einmal eine Syste-
matisierung der Bestimmungen betreffend die Wahlen in einem einheit-
lichen Text ist vorgenommen worden. Der Indifferentismus, der hier zutage
trat, wurde damit gerechtfertigt, daß man sagte, es sei in Italien kein
Anlaß vorhanden, sich mit politischen Reformen abzugeben, weil kein Be-
dürfnis dafür bestehe. Ein Beweis hierfür ist der im Jahre 1910 von der
sozialistischen Partei Italiens gemachte Versuch einer energischen Agitation
für das allgemeine Wahlrecht, der kläglich scheiterte. Schon ORLANDO
hat aber in den achtziger Jahren darauf hingewiesen, daß das Fehlen einer
Wahlrechtsagitation nicht als ein Zeichen allgemeiner Zufriedenheit aufzu-
fassen sei. In einem Lande, wo, wie in Italien, die Gleichgültigkeit des
Volkes für öffentliche Fragen im allgemeinen eine große ist, kann nicht
nur auf die Stimme des Volkes abgestellt werden. Da muß die Regierung
von sich aus initiativ vorgehen. Das Verdienst, einen Schritt vorwärts ge-
tan zu haben in der italienischen Wahlrechtsreform, kommt LUZZATTI zu,
der einen Gesetzesentwurf vorlegte, der weitgehende Neuerungen brachte.
Es blieb aber erst seinem Nachfolger GIoLITTI vorbehalten, die Reform zu
Ende zu führen und in Italien das allgeıneine Wahlrecht einzuführen.