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daher, wie allgemein zugestanden wird, auch weiterhin Recht zu
sprechen, und zwar durch die alten Gerichte, soweit die richter-
liche Aufgabe nicht an die Kriegsgerichte des Besetzungsheeres
oder an andere vom Besetzenden bestellte Gerichte übergegangen
ıst, die dann auch im Namen des Kriegsherrn Recht sprechen.
Die alten Richter amtieren weiter; sie können aber, wie alle Be-
amten, ihr Amt aufgeben und vom Besetzenden entlassen werden.
Doch nur ein Notstand berechtigt den Besetzenden zu Aenderungen
in der Gerichtsverfassung und zur Absetzung der Richter °”. Ohne
Not hier einzugreifen entspricht übrigens auch weder dem Inter-
esse des Besetzenden noch dem der Bevölkerung.
Im deutsch-französischen Krieg 1870/71 bestanden bezüglich
der Urteilsformel Unklarheiten und ergaben sich durch die fran-
zösische Verfassungsänderung weitere Schwierigkeiten. Als die
Deutsehen die anfängliche Forderung, daß „im Namen der hohen
verbündeten deutschen Mächte“ Recht gesprochen werden solle.
als unbegründet fallen gelassen hatten, stand man vor der
weiteren Frage, in wessen Namen Recht zu sprechen sei, als
Frankreich eine Republik geworden, diese aber von Deutsch-
land noch nicht anerkannt war. Deutschland wünschte die alte
Formel „Im Namen des Kaisers Napoleon“; einige Gerichte
erklärten sich darauf aber nur bereit, Recht zu sprechen: „au
nom du Peuple Francais“ oder auch „au nom du Gouvernement
Francais“.
Die spätere deutsche Anregung, für die Uebergangszeit die
Urteilsformel ganz wegzulassen oder, wie schon BLUNTSCHLI
für solche Fälle vorgeschlagen hatte, die Formel „im Namen des
Gesetzes“ zu gebrauchen — nur einige Gerichte entsprachen dieser
52 Das ergibt sich aus Art.43. Vgl. auch VELIKOWITCH und v. MARTENS
in den Protokollen der 1. Haager Friedenskonferenz Ill. 129. Die entgegen-
gesetzte Bestimmung der amerikanischen Kriegsartikel ist die Folge der
oben 8. 362° bekämpften Zuständigkeitsauffassung auf dem Gebiet der
Gesetzgebung.
53 Völkerrecht $ 47, Anm. 2.