Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 33 (33)

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durch die mangelhafte Fassung begründete Unsicherheit entsprach aber 
wohl dem englischen Interesse. 
b) Ist die auch in meiner Auffassung noch maßlose Bedrohung der 
Rechtskraft des Konstantinopeler Vertrags mittlerweile durch die eng- 
lisch-französische Deklaration betr. Aegypten und 
Marokko vom 8 April 1904 Art. 6 als beseitigt anzu- 
sehen? In dieser Vereinbarung erklärt (declare) die britische Regierung 
„adherer aux stipulations du traite conclu le 29 Octobre 1878 et & 
leur mise en vigueur“. 
Hier fällt zunächst eine unzweifelhafte Falschformulierung auf. Wie 
der Vrf. S. 111 ganz richtig betont!, konnte für England ein Beitritt (ad- 
hesion) zum Vertrag gar nicht mehr in Frage kommen; denn England war 
ja bereits Signatarmacht. Wenn DEDREUX aber weiter meint: „die Bei- 
trittserklärung Englands zu dem bezeichneten Vertrage kann also recht- 
lich nur als eine erneute Feststellung und Bekräftigung seiner Mitunter- 
zeichnung des Vertrages verstanden werden“, so war eine solche voll- 
kommen überflüssig. Es liegt vielmehr in der Wendung „adherer aux 
stipulations du traite.... et a leur mise en vigueur“ ein einfacher Pleonas- 
mus vor. Wie auch aus einer Zirkulardepesche DELCAsSsEs vom 12. April 
1904 erhellt, handelte es sich nur um die „adhesion* Englands zur 
„mise en vigueur“ des Konstantinopeler Vertrags und mithin um die 
Zurücknahme des allgemeinen Vorbehaltes bezüglich der 
„application“. Ein Beitritt zum Vertrag hätte ja auch in vorschriftsmäßiger 
Form vollzogen werden müssen. 
Aber nun kommt eine neue Schwierigkeit. Die Deklaration von 1904 
ist eine Vereinbarung zwischen England und Frankreich und deshalb 
scheint der Einwand Grund zu haben, daß England seinen Vorbehalt nur 
Frankreich gegenüber zurückgenommen habe. Das ist in der Tat auch 
die Auffassung von DEDREUX S. 110 und LABanD S. 1319. Wenn aber 
England dem Wirksamwerden eines Vertrags kein Hindernis mehr in den 
Weg legen will, so schließt ein solcher Beitritt, der absolut ist wie 
Unterzeichnung und Ratifikation, doch wohl die einseitige Bezugnahme auf 
Frankreich begrifflich aus. 
Der Vorbehalt Englands war seinerzeit in der Hauptsache nur durch 
den Art. 8 veranlaßt, welcher eine internationale Kanalkommission vor- 
sieht und die Aufsichtsrechte der Landesregierung festlegt. Dieser Artikel 
war denn auch durch alle Stadien der Verhandlungen hindurch, England 
ein Stein des Anstoßes. In der Besorgnis, daß durch diese Kontrollvor- 
kehrungen die englischen Okkupationsinteressen bedroht seien, hatte Eng- 
land den allgemeinen Vorbehalt gemacht. Und jetzt, wo es darauf ver- 
1 Ebenso LABAND „Der Suezkanal“ in der DJZ. 1. November 1914 
Nr. 23—24 S. 1319.
	        
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