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zichtete, wegen des Artikels 8 die Wirksamkeit des ganzen Vertrags noch
in Frage zu stellen, richtete es sein Suspensionsbegehren direkt auf die
beanstandeten Bestimmungen selbst: Art. 8 Abs. 1 letzter Satz und Abs. 2.
Die Erklärung Englands besagt: Nachdem durch die Zurücknabme des
Vorbehaltes der Vertrag von 1888 vollwirksam geworden und die freie
Kanalfahrtsichergestellt ist, sollen aber wenigstensdie Aufsichtsbestimmungen
des Art. 8 des Vertrags von 1888 — welche den Anlaß zum allgemeinen
Vorbehalt gegeben hatten — suspendiert bleiben. Also: allgemeine Frei-
gabe der Kanalfahrt, aber dafür jetzt allgemeine Suspension der Aufsichts-
rechte der Landesregierung im Interesse der Okkupationsinteressen.
Läge die allgemeine Wirkung nicht schon in der Natur der Adhäsions-
Erklärung, so würde sie sich übrigens ergeben aus dem Beitritt der Groß-
mächte zur Deklaration von 1904, in welche der Art. 6 eingestellt ist.
3. Wir stehen vor dem Schluß des großen ägyptischen
Dramas.
Fingland hat das Band Aegyptens mit der Türkei zerschnitten und in
Aegypten ein englisches Protektorat mit einem Sultan von Englands Gna-
den errichtet. Die englische Herrschaft über den Suezkanal und das
Mittelländische Meer hat damit die längst gewünschte Form angenommen.
Die englischen Staatsmänner waren nicht müde geworden, zu versichern,
sie wollten nicht unbegrenzt lange in Aegypten bleiben, sondern nur die
Mittel und Wege suchen, mit Ehren dort herauszukommen (S. 119). Das
glaubten aber wohl nicht einmal die Franzosen, die in Art. 1 der Dekla-
ration von 1904 die Versicherung abgaben, hier nicht drängen zu wollen.
Auch der Verfasser hat aus dem bisherigen Auftreten der Engländer in
Aegypten die Erkenntnis gewonnen (S. 124),
„daß Englands Verbleiben und außerordentliche Rührigkeit in Aegypten
wohl weniger durch das altruistische Motiv der Kultivierung und Ver-
größerung des Landes für andere, als vielmehr durch das egoistische
Motiv der demnächstigen Annektierung des Landes be-
stimmt wird‘.
Er billigt es aber auch ausdrücklich, „daß Aegypten in aller Form
England einverleibt wird“ (S. 122) und hat damit der neuesten Entwick-
lung im voraus sein Plazet gegeben. Dabei beruft er sich auch auf die
gelbe Gefahr. Er ist mit Banse der Ansicht, bis jetzt habe der Suezkanal
zur ein Ausfalltor Europas nach dem fernen Osten gebildet, er könne
aber umgekehrt später auch einmal eine gefährliche Pforte für die gelbe
Gefahr werden, und die Abwehr dieser Gefahr liege am besten in den
Händen einer weißen und zwar der englischen Macht.
Wir wissen aber heute, daß damit nur der Bock zum Gärtner gemacht
wird. Nach den Erfahrungen, die wir mittlerweile gesammelt haben, dürfte
es sich dringend’ empfehlen, das Wächteramt am Kanal gegen die gelbe
Gefahr der zuständigen Macht zu belassen. Die Türkei, welcher der Rechts-
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIII. 3%. 35