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Lehnt man aber dergleichen rechtlich unverbindliche Lehrsätze doktri-
närer Natur (LUKAS) ab, indem man sich zur Organstellung des Herrschers,
zu einer dem Staate gehörenden Staatsgewalt bekennt (OEScHEY 8. 154.
156), so muß man reinliche Scheidung vornehmen. Es geht dann nicht an,
den Träger der Krone auch zu einem solchen der Staatsgewalt zu machen
(„Träger der Staatsgewalt ist allein der Staat* — JELLINEK), und ferner
ist er nicht mehr und nicht weniger als ein „oberstes Organ“ des Staates,
wie das Vf. S. 154 ganz richtig betont und $S. 158 ohne Grund verneint.
Von dem in der Präambel angeblich gefundenen Prinzip der Gewalten-
vereinigung im Monarchen, von dem Unterschied zwischen Ausübung und
Innehabung her gewinnt Vf. seine Stellung zu dem Begriff des sanctionner
(Art. 22 der Charte) auch für die bayerische Verfassung (8. 75f., 150 N. 1).
Der Zusammenhang ist evident, aber er ist nur historisch-politisch zu
diskutieren. Dasselbe Bestreben, dem Monarchen eine Vorrangstellung
gegenüber dem neuen Kontrahenten zu wahren. hier wie dort. Jener soll we-
nigstens formal der alleinige „Gesetzgeber“ bleiben, in diesem Sinne den
Weiheakt der Gesetzwerdung vollziehen — ein zeremonieller Tribut an die
Vergangenheit, wie er historisch durchaus verständlich, politisch auch für
die Gegenwart gewiß nicht ohne Bedeutung, formaljuristisch aber ebenso
gewiß belanglos ist. Die auch vom Vf. vertretene LABAnDsche Lehre einer
Trennung der Feststellung des Gesetzesinhalts durch Monarch und Parla-
ment von der Erteilung des Gesetzesbefehls durch den Monarchen allein
kann, namentlich nach den Ausführungen vonLUKAS, vom formal-juristischen
Standpunkte aus nicht mehr aufrecht erhalten werden. Dadurch wird aber
keineswegs „der klare Wortlaut der Verfassungen anders ausgelegt, wie er
lautet“ (Oesomey S. 77 Note 1). Die Interpretation erkennt den „qualita-
tiven Unterschied“ der Terminologie an, sie faßt ihn aber historisch-poli-
tisch, weil er nur so überhaupt vorhanden ist.
Berlin-Charlottenburg. Heinrich O. Meisner.