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bedenkt man weiter, daß in vielen Dienstzweigen das 30. Lebens-
jahr erreicht und eine mehrjährige volle Dienstleistung bean-
sprucht wird, ehe nur die geringste dienstliche Entlohnung statt-
findet, bedenkt man ferner, wie in manchen Dienstzweigen die
durch das Amt gebotene Lebensweise eine gesundheitschädliche,
krankheitfördernde ist, daß auch die Berufskrankheiten in den Bann
des Art. 35 Abs. II fallen, bedenkt man auch, daß es verhältnis-
mäßig doch recht seltene Fälle sind, in welchen den Erkrankten
auch ein dienstliches Verschulden trifft, welches die Lösung des
Dienstverhältnisses rechtfertigt und dazu führt und bedenkt man
endlich, daß gerade die widerrufichen Beamten regelmäßig über-
haupt keinen Wartegeld- oder Ruhegehaltsanspruch haben, der
sie in Krankheitsfällen sicherstellt, bedenkt man dies alles, so
kann der Anschauung des Obersten Gerichtshofes nicht beige-
pflichtet werden, wonach die Wirkung der Auslegung, welche
Reindl und ich dem Art. 35 Abs. II Satz 1 gegeben haben,
eine so weitgehende sei, daß auf die Absicht des Gesetzgebers,
sie gewollt zu haben, nicht geschlossen werden könne. Vielmehr
wäre es wohl umgekehrt schwer verständlich, wenn der Gesetz-
geber der Gegenwart mit seinen sonst so ausgesprochen sozial-
politischen Absichten gerade vor den Beamten des Staates Halt
gemacht hätte.
Wohl mögen die Leistungen, welche der Staat in den Stun-
den beamtenfreundlicher Gesetzgebung und Gehaltsordnung sich
auferlegt hat, um den Beamten auch im Falle der Krankheit eine
nachdrückliche Fürsorge zu gewähren, angesichts der nicht un-
bedeutenden damit verbundenen finanziellen Last die Gedanken
dahin lenken, im eigenen Interesse alles Mögliche zur Verhü-
tung von Beamtenerkrankungen zu tun; aber gerade ehe dazu
die Wege und die ausreichenden Mittel vorhanden sind, ist die
Nachdrücklichkeit seiner in Art. 35 Abs. II getroffenen Fürsorge
nicht zwiespältig oder zu weitgehend, sondern durchaus sinnvoll