Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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mus zugleich religiöse Verirrung, Abfall von Gott. „Ich fürchte 
nicht die akute Krankheit der Demokratie“, sagte er in seiner 
berühmten Rede im Erfurter Parlament über den Antrag des 
Abgeordneten v. Bismarck, das Fürstenkollegium fallen zu lassen 
und statt dessen den König von Preußen als konstitutionellen 
König im Bundesstaate einzusetzen, — „ihr zu widerstehen ist 
der Organismus des Staatskörpers in Deutschland noch stark 
genug, ich fürchte die ehronische Krankheit des Liberalismus ... 
Wie können die Anhänger jenes Systems mit solcher Zuversicht 
jetzt vor uns hintreten, nach den Erfahrungen des Jahres 1848? 
Standen sie da der entfesselten Bewegung nicht ebenso gegenüber, 
wie jener Zauberlehrling den Gewässern, welche er heraufbe- 
schworen hatte und nicht mehr zu bannen vermochte? Sie hatten 
den Spruch vergessen, sie zu bannen, oder vielmehr dieser Spruch 
stand nicht in ihrem Lexikon, denn dieser Spruch heißt Autori- 
tät. Da wollten sie die Gewässer besprechen mit dem Zauber- 
spruche ihres Systems: „Majorität! Majorität!“ Aber statt 
sich zu legen, wuchsen sie empor und schwollen immer höher 
und gingen nun schon bis an die Kehle, als endlich in Wien und 
Berlin der rechte Spruch der Autorität getan wurde, da verflog 
der Spuk in einem Nu.“ (15. April 1850, Siebzehn Reden 
S. 162). 
Weit stärker noch und nachhaltiger wirkte die Lehre STAHLSs 
in der deutschen Frage. Mit der ganzen Hingabe an die 
großen vaterländischen Ziele, welche die Gelehrten seiner Zeit 
auszeichnet, hat er ihr gedient. Gleichwie DAHLMANN in seinen 
beiden „Revolutionen* den Zeitgenossen auf jedem Blatte das 
porro unum est necessarium, die Notwendigkeit des Uebergangs 
zum Konstitutionalismus, eindringlich predigte, wie noch schärfer 
J. G. DROYSEN in der Geschichte der Freiheitskriege das Pro- 
gramm des gemäßigten Liberalismus verfocht !, so setzte der 
  
  
11! v, TREITSCHKE, Deutsche Geschichte im 19. Jahrhundert, Bd. V, 
S. 409 f.
	        
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