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Schon fast unmittelbar nach ihrem Inkrafttreten entspannen
sich um Inhalt und Auslegung der Verfassungsurkunde die hef-
tigsten politischen Kämpfe, das ganze innere Leben des Kurfür-
stentums war auf den Kampf um seine Verfassung von vornherein
förmlich abgestellt und von ihm ausgefüllt, fast alle öffentlichen
Kräfte wurden durch ihn mehr oder weniger in Mitleidenschaft
gezogen. Auf diese schweren inneren Wirren, die erst am Ende
des Kurstaates überhaupt einer gewissen Stabilisierung weichen,
näher einzugehen, ist hier nicht der Ort, nicht eine politische
Abhandlung wollen wir schreiben, sondern in durchaus objektiver,
nüchterner, rein rechtlicher Betrachtung einen kurzen Abriß der
wichtigsten Verfassungsbestimmungen darbieten. Nicht immer
freilich wird sich eine staatspolitische Kritik völlig vermeiden
lassen und soll auch gar nicht vermieden werden. Unerläßlich
ist freilich ein ganz kurzer geschichtlicher Ueberblick über die
Geschicke und die Wandelungen der Verfassungsurkunde Nach
der Wiederherstellung des deutschen Bundes im Jahr 1850 und
der Beilegung der Wirren im Inneren des Landes zufolge
der Politik des Ministerpräsidenten Hans Daniel Hassenpflug
erklärte ein Bundesbeschluß vom 27. März 1852 die Verfas-
sung und das Wahlgesetz vom 5. April 1849 ihrem wesent-
lichen Inhalte nach für bundeswidrig und ordnete ihre Aufhebung
an. Gleichzeitig forderte der Bundestag die kurhessische Regie-
rung auf, ihrem Lande eine andere Verfassung zu geben. In
Ausführung dieses Beschlusses erließ denn auch Kurfürst Friedrich
Wilhelm I. unter Gegenzeiehnung des gesamten Staatsministeriums
am 13. April 1852 eine Verfassungsurkunde, ein Wahlgesetz und
eine Geschäftsordnung für die Landstände (Gesetzsammlung für
Kurhessen 1852 Nr. II S. 3/33). Auf ihren Inhalt hier einzu-
gehen, liegt für uns kein Anlaß vor, nur das sei im Vorüber-
gehen erwähnt, daß sie in durchaus reaktionärem Geiste gehalten
die Stellung des Landesfürstentums ganz wesentlich stärkte, die
Bedeutung der Landstände in jeder Weise herabdrückte und unter
Archiv des öffentlichen Rechts. XXXIV. 1/2. 7