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schaft durch Gesetz vom 9. Mai 1863 wiederhergsstelit. Ueber
die Abänderung der $$ 60 und 61 ließ sich dagegen auf verfas-
sungsmäßigem Wege eine Einigung zwischen Regierung und den
Ständen nicht erzielen. Seitdem lenkte das politische Leben des
Kurstaates in ruhigere geordnete Bahnen ein, eine Aera der Re-
formen begann und ein friedlicheres Verhältnis zwischen Staats-
regierung und den Landständen kehrt ein, bis die Annexion des
Landes durch Preußen im Herbst 1866 dieser entschiedenen Fort-
schrittsperiode ein Ende bereitete.
Daß die Kurhessische Verfassungsurkunde vom 5. Januar
1831 kein ganz erdgeborenes und bodenständiges Gewächs sein
konnte, ergibt schon die Kleinheit des Landes. Ganz naturgemäß
waren die früher entstandenen Verfassungen der mittleren deut-
schen Staaten, insbesondere von Bayern, Baden, Württemberg und
Hessen-Darmstadt auf den Inhalt der Verfassung von Einfluß.
Bemerkenswert erscheint die Verfassungsurkunde, um dies Ergeb-
nis unserer Betrachtungen vorwegzunehmen vornehmlich deshalb,
weil in ihr, weit mehr als in allen anderen deutschen Verfas-
sungsurkunden, der Geist der liberalen parlamentarisch-konstitu-
tionellen Staatsrechtslehre der damaligen Zeit, wie er kurz durch
die Namen ROTTECK und WELCKER verkörpert wird, zum Aus-
druck gelangt. Ihren Schüler und begeisterten Anhänger SYL-
VESTER JORDAN, Professor des Staatsrechts an der hessischen
Landesuniversität Marburg, kann man getrost als den geistigen
Vater der Kurhessischen Verfassungsurkunde ansprechen. Frei-
lich ist sein Einfluß auf sie oft ganz erheblich überschätzt wor-
den, der von ihm als Vertreter der Prälatenkurie des landständi-
schen Ausschusses im Jahre 1830 ausgearbeitete Entwurf der Ver-
fassung wurde in zahlreichen grundlegenden Bestimmungen, so
namentlich über die Wahlen zum Landtag zufolge Widerspruchs
der Staatsregierung gänzlich umgearbeitet, so daß von den JOR-
DANschen Vorschlägen nicht ein Stein auf dem anderen blieb.
JORDAN selbst stimmte auch keineswegs in „die Lobeserhebungen,
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