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zu erlassendes Grundgesetz über die Thronfolge Sorge tragen.
In Uebereinstimmung mit den meisten deutschen Verfassungen (so
namentlich der preußischen Art. 54, Bayr. Titel II $ 7, der säch-
sischen $ 8 und der württembergischen $ 8) wurde der Landes-
fürst nach Vollendung des 18. Lebensjahres volljährig. Bei seinem
Regierungsantritt hatte der Regierungsnachfolger zu geloben „die
Staatsverfassung aufrecht zu erhalten und in Gemäßheit derselben
sowie der Gesetze zu regieren. Er stellt darüber eine (im land-
ständischen Archive zu hinterlegende) Urkunde aus, worauf die
Huldigung und zwar zuerst von den versammelten Landständen
erfolgt.* Zu Unrecht zogen hieraus die Landstände und MUR-
HARD a. a. O. S. 162f. bei Gelegenheit des Regierungsantritts
des Kurprinzen Friedrich Wilhelm als „Mitregent“ im Jahre 1831
den Schluß, daß rechtlich die Ausübung der landesherrlichen Be-
fugnisse durch das eidliche Angelöbnis der Verfassung bedingt
werde. Eine ausdrückliche Vorschrift des Inhalts, daß vor der
eidlichen Angelobung der Verfassungsurkunde der Regierungs-
nachfolger keinerlei Regierungshandlungen vornehmen dürfe, findet
sieh in der Verfassungsurkunde nicht. Der Uebergang der Staats-
gewalt findet eben ipso jure statt, es folgt aus dem inneren We-
sen des Staates, daß er in keinem Augenblick eines Trägers der
obersten Gewalt entbehren kann. Nur dann also, wenn die Ver-
fassungsurkunde für den Fall der Weigerung des eidlichen Ange-
löbnisses durch den Thronfolger für die Ausübung der Herrscher-
rechte anderweitig vorgesorgt hätte, wäre die Auffassung der
Landstände begründet gewesen. Die heutige Staatsrechtswissen-
schaft gibt hier der Auffassung der damaligen kurhessischen
Staatsregierung durchaus Recht, vgl. statt aller anderen MEYER,
Lehrbuch des deutschen Staatsrechts 4. Auflage 1895 $ 91 S. 239
unten „Auch die dem antretenden Monarchen auferlegte Pflicht,
die Beobachtung der Staatsverfassung eidlich oder bei fürstlichem
Wort anzugeloben, ist kein notwendiges Erfordernis für die recht-
liche Ausübung der Regierungsrechte, soweit nicht die Verfassung