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und Schulsachen, sowie über milde Stiftungen. Nur folgende
Befugnisse hatten sie sich bei Abtretung ihrer Regierungsrechte
vorbehalten: das Recht zur Präsentation der Justizbeamten und
der Aktuare bei den Untergerichten, den „Justizämtern“ (den
heutigen Amtsgerichten vergleichbar), der Bezirksverwaltungsbe-
amten (der Landräte) ihrer Standesherrschaften, der Physikatsärzte
und der Pfarrer innerhalb ihrer Gebiete, das Kirchenpatronat, die
niedere Polizei in den von ihnen bewohnten Schlössern mit den
dazu gehörigen Gebäuden und Höfen wie Gärten, sowie endlich
einige andere unbedeutendere Gerechtsame. Berücksichtigt man
noch, daß die Standesherrn für den Verzicht auf alle ihre Regie-
rungsrechte nur eine ganz geringfügige außer allem Werte zu
den aufgegebenen Rechten stehende Geldrente empfingen, daß sie
ferner von ihrem standesherrlichen Grundbesitz die halbe Grund-
steuer zu entrichten hatten, so kann man die vertraglichen Zu-
geständnisse der Standesherren an den Staat nicht anders als un-
gemein weittragend bezeichnen. Die ihnen für immer zugesicherte
Freiheit von Personal- und direkten Steuern aller Art kam kaum
in Betracht, denn Kurhessen war ein so reicher Staat, daß fast
alle Ausgaben aus den Einkünften des sehr großen Staatsver-
mögens gedeckt werden konnten. So durfte Kurhessen — neben
Baden und Württemberg — wohl den Ruhm für sich in Anspruch
nehmen, als erster deutscher Staat seine Hoheit und Souveränität
gleichmäßig allen seinen Staatsbürgern gegenüber durchgeführt
zu haben. Nur doktrinäre Engherzigkeit und Prinzipienreiterei
war es daher, wenn die Landstände wegen der geringfügigen den
Standesherrn verbliebenen Vorrechte das Edikt nicht anerkannten.
Zu einer eingehenderen Regelung der Rechte der Reichsritterschaft,
die namentlich in der Provinz Hanau und in den Kreisen Hünfeld
und Fulda stark vertreten war — hier blühten namentlich die ver-
schiedenen Linien der Reichsfreiherrlichen Familie von der Tann
— ist es dagegen ebensowenig gekommen, wie zum Erlaß der
durch $ 50 verhießenen Statuten der althessischen — aus 77