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Meinungsverschiedenheiten über den Sinn der Verfassung zwischen
Regierung und Landständen vorgesehene Kompromißgericht ist
trotz der fast ununterbroehenen Verfassungskämpfe im Lande
niemals ins Leben getreten. Die weiteren Vorschriften entbehren
des allgemeinen Interesses.
Wir sind am Ende unserer Betrachtungen angelangt. Die
Kurhessische Verfassung begeistert gelobt und viel geschmäht,
trägt ein eigenartiges Gepräge, sie zeigt einen Januskopf. Manche
ihrer Bestimmungen muten durchaus mittelalterlich an, z. B. die
Erbhuldigung aller Untertanen beim Regierungswechsel und die
Schutzlosigkeit aller Staatsbeamten aller Art auch der Richter gegen
willkürliche Versetzungen volle Entschädigung in Geld ausgesetzt.
Im allgemeinen überwiegen aber die wahrhaft fortschrittlichen Vor-
schriften bei weitem, der Glanzpunkt wohl der ganzen Verfassung
war die volle Unabhängigkeit der Rechtspflege, die schrankenlose
Zulassung des ordentlichen Rechtswegs für alle Ansprüche der
Staatsbürger unter Ausschluß eines jeden Konflikts oder Kompe-
tenzkonflikts, höchst modern mutet ferner an die Bestimmung,
daß alle Beamten mit Ausnahme der unteren nur durch Spruch
der ordentlichen Gerichte ihres Amtes enthoben werden konnten,
die weitgehenden Einschränkungen des landesherrlichen Abolitions-
rechts, das Steuerverweigerungsrecht der Landstände und endlich
auch die Vereidigung aller Offiziere auf die Verfassung. Höchst
rückständig war freilich das Wahlrecht zu den Landständen ge-
regelt, eine sehr zahlreiche Bevölkerungsschicht, alle Abhängigen
im Gewerbe und in der Landwirtschaft waren bis zum Wahlge-
setz vom 5. April 1849 des Wahlrechts gänzlich beraubt und
auch nach ihm war die Zahlung von Staatssteuern unerläßliche
Voraussetzung, nicht weniger als '/s ferner der von da ab 48 Ab-
geordneten wurden von den Höchstbesteuerten des Landes ge-
wählt. Gewiß verlieh die Verfassung den Landständen weit-
gehende Rechte, die zum Teil die ın anderen deutschen Staaten
den Landtagen eingeräumten Befugnisse entschieden überragten,