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Völkerrecht auch wirklich objektives Recht ist. Daß der Zwang
kein integrierender Bestandteil des objektiven Rechts ist, be-
rechtigt an sich nur zu der Schlußfolgerung, daß dem Völker-
recht um deswillen der Rechtscharakter nicht abgesprochen wer-
den dürfe, weil es einen Zwang in der im nationalen Recht be-
stehenden Form nicht kennt. Damit ist aber ein positiver Nach-
weis für die Rechtsnatur des Völkerrechts noch nicht erbracht.
Ist dies nun überhaupt möglich?, Alles objektive Recht wird
charakterisiert durch das bindende Moment seiner Sätze. Dies
äußert sich nun nicht in dem dahinterstehenden Zwange, der
etwaigen Widerstand brechen und die Durchführung subjektiver
Rechte ermöglichen soll. Dies wäre ohne Zweifel etwas Sekun-
däres, etwas von dem objektives Recht enthaltenden Satz Losge-
löstes, nichts weiter als ein Appendix. Das bindende Moment
des Rechts ruht vielmehr in ihm selbst: es besteht in der Aner-
kennung durch die Beteiligten und die Betroffenen, in dem Ge-
fühl und der Ueberzeugung, daß es so sein muß, daß ein be-
stimmter Tatbestand bestimmte Beurteilung verlangt, bestimmte
Erscheinungen bestimmte Folgen bedingen. Nicht anders also,
wie wir es oben für das nationale — das private wie das öffent-
liche — Recht nachzuweisen suchten, liegt es im Völkerrecht.
Allein die Erkenntnis der unbedingten Notwendigkeit, die
auch etwaige Zweckmäßigkeitserwägungen umfaßt, ruft das
bindende Moment und damit den Rechtscharakter aller Normen
hervor. Den Staat im internationalen Verkehr kann freilich keine
Macht zur Befolgung völkerreehtlicher Grundsätze zwingen, jeden-
falls ebensowenig mit rechtliehen Mitteln wie die Unter-
tanen die ihnen gewährten Rechte vom Staate ertrotzen könnten.
Solange aber die Staaten im Völkerrecht die Notwendigkeit des-
selben erkennen, halten sie sich hieran gebunden. Hiervon alleın
hängt auch die Geltung der Sätze des nationalen Staatsrechts ab;
eine längere Dauer braucht ihnen an sich nicht beschieden zu
sein. Führte hier ein Aufgeben der Gebundenheit auf der anderen