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Seite zur Anwendung von Zwangsmitteln etwa in Form eines
Aufstandes, so wird es dort eben zu einer entsprechenden Selbst-
hilfeerscheinung kommen, letzten Endes also zum Kriege. Beide
aber — Aufstand wie Krieg — liegen außerhalb des Rahmens
des Rechts. Dies setzt vielmehr stets als normalen Zustand den
des Friedens voraus. Ohne ihn kann keine Rechtsordnung be-
stehen. Wie der Aufstand aller innerstaatlichen Ordnung Hohn
spricht, so der Krieg dem Völkerrecht: mag man hier auch selbst
für solche Fälle Normen gebildet haben, so befassen sich diese
doch allein mitder Art und den Formen der Kriegführung,
keineswegs aber schuf man damit ein Rechtsmittel für die
Durchführung irgendwelcher Ansprüche.
All dies hat jedoch nichts mit dem Charakter jener Sätze
selbst zu tun, die einen Staat, sei es gegenüber seinen Unter-
tanen, sei es gegenüber anderen Staaten binden sollen. Diese
sind und bleiben Rechtssätze, weil und solange die Beteiligten
das bindende Moment derselben anerkennen und anerkennen
müssen. Eine Notwendigkeit? Weil immer wieder die Natur
selbst ein geordnetes Verhältnis zwischen Staat und Untertan,
gleichviel in welcher Form, verlangt, soll nicht das ganze Staats-
gebilde ins Wanken kommen; weil auch im Verkehr der Staaten
untereinander einer auf den anderen angewiesen ist, weil dieser
unmöglich für alle Zukunft ausgeschaltet werden kann und er in
gleicher Weise von dem Prinzip gegenseitiger Rücksichtnahme
beherrscht wird wie der Verkehr unter den Menschen. Deshalb
wird es ein Völkerrecht geben müssen, solange es einen Verkehr
zwischen den Staaten gibt, und diese werden die Sätze, die sich
für ihre gegenseitigen Beziehungen herausbilden, befolgen, weil
sie dieselben als notwendig erkennen. Besteht doch selbst für
die anormalen Zeiten des Krieges das Bedürfnis, feste Normen
für bestimmte Tatbestände zu besitzen: auch Feinde werden sich
bisweilen etwas zu sagen haben. Weshalb, darf man fragen,
gehen denn überhaupt die Wogen der Erregung so hoch, wenn