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mittels erreicht werden oder er braucht es doch jedenfalls nicht.
Es hängt stets vom Ermessen des anderen Staates ab, demgegen-
über der Zwang zur Anwendung gelangt, ob er nachgeben will
oder nicht, ob er die von ihm begangene Unbill bzw. unrecht-
mäßige Handlung wieder gutmachen oder aber die ihm ange-
drohten bzw. zuteil gewordenen Nachteile tragen will. Auch
diese Unvollkommenheit des Völkerrechtszwanges beruht auf der
Gleichberechtigung der Staaten, der völkerrechtlichen Rechts-
subjekte.
Die Eigenart des Völkerrechtszwanges mag im einzelnen
später beleuchtet werden; vorerst sollen hier die verschiedenen
Zwangsmittel als solche und ihr Verhältnis zu dem im nationalen
Recht vorhandenen Zwange betrachtet werden.
I
Drei Arten der Selbsthilfe kennt das Völkerrecht: die Re-
torsion, die Repressalie und den Krieg. Alle drei sind Mittel zur
Erreichung irgend eines politischen Zweekes, und zwar Zwangs-
mittel, d. h. Anwendung von physischer und psychischer Gewalt.
Die Retorsion zunächst bedeutet die Anwendung einer Zwangs-
maßregel seitens eines Staates, der sich dureh einen anderen un-
billig behandelt fühlt. Sie besteht in der Ausführung der der
widerfahrenen Unbill voll entsprechenden Maßnahme: der Inter-
nierung der in England aufhaltsamen Deutschen folgte als Gegen-
maßregel die Unterbringung sämtlicher im Deutschen Reich be-
findlichen Engländer in Ruhleben. — Demgegenüber bedeutet die
Repressalie die Erwiderung eines Unrechts mit irgend einer
schädigenden oder gewaltsamen Handlung. Während also die Re-
torsion das Vorliegen einer Rechtsverletzung nicht verlangt,
ist dies unbedingte Voraussetzung für die Verwendung von Re-
pressalien. Und wenn auch beiden gemeinsam ist, den Staat, der
zuerst unbillig bzw. widerrechtlich handelte, zur Aufgabe seiner
Haltung bzw. zum Ausgleich des von ihm verursachten Schadens