Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Die disjunktive Norm dagegen gewährt eine Freiheit der Wahl 
zwischen zwei oder mehreren Möglichkeiten, welche alle rechtlich 
gleichwertig sind, also keinen rechtlich relevanten Unterschied 
aufweisen, und gleichzeitig alle normgemäß sind. Es ist recht- 
lich irrelevant, welche Alternative gewählt worden ist, und doch 
rechtlich relevant, daß eine von ihnen verwirklicht ist. 
Es böte nun ein großes Interesse, die verschiedenen Arten 
rechtlicher Relevanz unter dem Gesichtspunkt zu prüfen, wie sich 
hier die von disjunktiven Normen gewährte Freiheit zu der Frei- 
heit des rechtlich Ungeregelten, der „rechtsfreien Sphäre“ ver- 
hält. Allein eine solche Erörterung setzte eine systematische 
Untersuchung aller möglichen Arten rechtlicher Relevanz voraus. 
Eine so weitausgreifende Arbeit hat sich der vorliegende kleine 
Aufsatz nicht zum Ziel gesetzt. Ich schreibe diese Zeilen, nach- 
dem ich seit Beginn des großen Krieges, fast sieben Monate, im 
Feld gestanden bin, während einiger Tage, während welcher die 
Geschütze meiner Batterie den dringend notwendig gewordenen 
Ausbesserungen unterzogen werden, und muß alle näheren Aus- 
führungen des hier ausgesprochenen Gedankens für den Fall 
meiner glücklichen Rückkehr einer späteren Arbeit vorbehalten. 
Nur auf einen ganz besonders wichtigen Anwendungsfall der Un- 
terscheidung von kategorischen und disjunktiven Normen sei es 
gestattet hier hinzuweisen. 
Es handelt sich um jene Rechtsbeziehungen, welche man 
unter den Namen der Stellvertretung und der ÖOrganschaft zu- 
sammenfaßt. Es finden sich sehr häufig Normen, welche dem 
Stellvertreter oder Organ nicht ein bestimmtes Verhalten zur 
Pflicht machen, sondern ihm die Wahl zwischen zwei oder meh- 
reren Arten des Verhaltens freistellen, mit der Wirkung, daß er, 
welche Alternative er immer wählt, nicht sich, sondern dem Ver- 
tretenen (der Organisation) rechtliche Vorteile erwirbt oder Nach- 
teile zuzieht. Klar und deutlich unterscheidet sich hier für eine 
theoretische Betrachtung logischer Denkformen die vom Gesetz
	        
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