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sollen und können nicht der Scheidung sondern nur der Verbindung der
Staaten dienen; und gar trennende Feuer meere kennt nur die märchen-
hafte Phantasie. In ihrer heutigen maßlosen Erweiterung aber ist die
Monroedoktrin der Ausdruck einer erstaunlichen Selbstüberhebung gegen-
über den nichtamerikanischen Staaten. Die letzteren kämpfen indes ver-
nünftigerweise nicht gegen bloße Doktrinen und so wird man abwarten
müssen, ob und wie die Union im gegebenen Fall ihr nach außen gerich-
tetes politisches Programm durchführen kann. Ueber die Mittel, mit welchen
sich die Monroedoktrin behaupten will, enthält diese selbst nichts: Erst
durch die Art, wie sie sich durchsetzt, muß es sich zeigen, ob sie auch
den Makel der Rechtswidrigkeit auf sich laden will.
Noch bedenklicher ist die Stellung der amerikanischen Staaten, welche
unter dem durch die Monrovedoktrin aufgenötigten und des Anspruchscha-
rakters entbehrenden? Schutz der Union ihre Selbständigkeit verloren haben
und unter die Vormundschaft des Kabinetts von Washington geraten sind. Aber
schon hat sich Mexiko emanzipiert; und die Union, welcher die Herstellung
der Ordnung dortselbst nicht gelang, nahm die Vermittelung der ABC-
Republiken (Argentinien, Brasilien, Chile) an, die damit dem Bann der
Monroedoktrin entrückt wurden. Der Präsident Wilson suchte die auf
Suprematie gerichtete Monroedoktrin daher wieder etwas einzuengen, in-
dem er Eingriffe in die Autonomie der amerikanischen Staaten ablehnte
und die Hilfeleistung der Union davon abhängig machte, daß ein allge-
meines Interesse bestehe und den Forderungen des Rechts und der Ord-
nung nachgeholfen werden solle. Aber dem Polizeisystem der heutigen
Monroedoktrin wird der Giftzahn auch durch diese idealistische Umbildung
nicht ausgebrochen. Die Monroedoktrin ist für Amerika heute das was die
von ihr bekämpfte heilige Allianz für alle anderen Staaten gewesen ist:
Kronos, der seine Kinder verschlingt.
Würzburg. Christian Meurer.
Probleme der internationalen Organisation von Dr. Ra-
fael Erich, Professor der Rechte in Helsingfors. Heft 1 der völker-
rechtlichen Monographien, herausgegeben von SCHÜCKING und WEH-
BERG, Breslau, J. U. Kerns Verlag 1914.
Die Schrift besteht aus sieben Aufsätzen, von welchen die drei letzten
schon 1913 in der Ztschr. für Völkerrecht Bd. VII 308f., 452 ff., 570 ff.
erschienen sind.
I. Aus dem ersten Aufsatz interessieren insbesondere die Aus-
führungen, daß der dem staatlichen Prozeßrecht geläufige Unterschied zwi-
” Das ist auch hier nur die Folge von dem Einseitigkeitscharakter der
Monroeerklärung.