Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Unterscheidungen des Historikers entschuldigt. Bedenklich erscheint mir 
besonders das bei den Historikern sehr beliebte Schlagwort von der „privat- 
rechtlichen Stellung der Landstände.* Es gibt ein schlechterdings falsches 
Bild von der Stellung der Landstände. Diese war zu allen Zeiten eine 
öffentlich-rechtliche: die Zuständigkeit zur Mitwirkung an der Ausübung 
staatlicher Hoheitsrechte ist eine öffentlich-rechtliche Rechtsstellung. Daß 
die Grundlagen der Landstandschaft zum Teil auf privatrechtliche Quali- 
fikationen zurückgingen, ist für das öffentlich-rechtliche Wesen der Land- 
schaft ebenso unerheblich wie für das der heutigen ersten Kammern die 
Landstandschaft der Inhaber des qualifizierten Großgrundbesitzes. Richtig 
ist nur, daß die Stellung der Landstände nicht wie die der modernen Volks- 
vertretung nur die staatsrechtliche Kompetenz eines Staatsorgans, sondern 
gleichzeitig das subjektive Recht einer Körperschaft war, und daß dieses 
subjektive Recht zu Zeiten überwiegend privatrechtlich aufgefaßt wurde. 
Aber auch diese privatrechtliche Auffassung ist so wenig wesentlich 
für die eigentliche Rechtsstellung der Landstände, daß sie, wie GIERKE 
dargetan hat, lediglich eine Begleiterscheinung des Verfalls dieser ist. 
Andererseits geht ja auch gerade das Wiederaufleben des ständischen Ge- 
dankens Ende des 18. Jahrhunderts (besonders bei MosErR) aus der Er- 
kenntnis ihres staatsrechtlichen Wesens hervor. Jedenfalls beruht die Be- 
zeichnung des dualistischen Charakters des ständischen Staates als eines 
privatrechtlichen auf der Gleichsetzung Staat = moderner Staat, die nicht 
allein begrifflich sondern auch nach dem Sprachgebrauch unserer Staats- 
lehre willkürlich wäre und nur zu Schwierigkeiten führen könnte, Ebenso 
ist die Gleichsetzung des Verfassers: Korporation = privatrechtlich nach der 
juristischen Begriffslehre unhaltbar und m. E. nur eine Folge der soeben 
erwähnten unklaren Auffassung. — In anderer Beziehung scheint mir Verf, 
in der logischen Folgeziehung aus den rechtsbegrifflichen Unterscheidungen 
zu weit zu gehen, wenn er nämlich die ständische Gliederung des Wahl- 
rechts als etwas der altständischen Verfassung durchaus Fremdes ansehen 
will. Gewiß ist diese Gliederung eine völlig andere als diejenige der poli- 
tischen Berechtigung im ständischen Staate ; aber einerseits läßt sich die Schei- 
dung zwischen berufsatändischer und geburtsständischer Gliederung — worauf 
RACHFAHL hingewiesen hat — zum mindesten dem Ursprung nach nicht 
immer ‘scharf durchführen und lassen sich Verwandtschaften zwischen den 
auf diesen Gliederungen beruhenden Einrichtungen der modernen und der 
altständischen Verfassungen nicht leugnen; andererseits bliebe, wenn man 
nur das allein Wesentliche der landständischen Verfassung berücksichtigen 
wollte, nur dasjenige ihrer Elemente übrig, was eben in der modernen Ver- 
fassung nicht mehr vorhanden ist: ihr dualistischer Charakter. Wenn man 
also die ständischen Elemente in den modernen Verfassungen aufsuchen 
will, muß man schon alle diejenigen heranziehen, die für das ständische 
Staatswesen typisch sind. Und dazu gehört zweifellos die ständische Glie-
	        
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