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allen Richtungen hin die Wege einer gesunden Entwicklung im
freien Wettbewerbe mit allen Völkern der Erde gewiesen.
Mit einem Worte: Bismarck hat dem deutschen Volke den
Staat gebaut, den die Sieger von 1813 und die Freiheitskämpfer
von 1848 ersehnten. Er hat uns durch diesen Staat eine ein-
heitliche Quelle des Rechtes eröffnet, und er hat uns zu einer
Macht erhoben, die Achtung gebietend in die Weltpolitik ein-
greifen konnte und mußte.
Den Begriff der Macht hat er uns Deutschen erst gelehrt,
und seme Lehre läßt sich dahin zusammenfassen:
Macht darf nie das Ziel, sie muß der Lohn, das göttliche
Geschenk für ehrlichen Kampf und das Mittel sein, um die höheren
Lebenswerte eines Volkes zum Gemeingut der Menschheit zu er-
heben.
Aber Bismarck ist uns heute mehr als der Mann der großen
Einigungstat, mehr sogar noch als das vornehme Beispiel von
Treue und Pflichtgefühl. Aus seinem Geist ist uns ein Ver-
mächtnis entsprungen, welches für alle Zeiten bindet. Die
strenge Zucht, in die er uns als politisches Volk genommen hat,
muß in uns lebendig bleiben, und die Aufgabe, welche er uns
für unser weltpolitisches und inneres Leben gesetzt hat, sie bleibe
mit feuriger Schrift in unsere Seelen gebrannt. Wohin auch
unsere Interessen und Ideale uns führen mögen in Krieg und
Frieden, in guten und schweren Tagen, die Aufgabe, die Pflege
der deutschen Sache in der Welt, muß stets die höchste bleiben.
Früher hörten wir oftmals die Klage: „Ohne Bismarck geht
es eben nicht voran mit uns Deutschen.“ Das wäre ein trauriges,
kleinmütiges Bekenntnis der Schwäche unserer Art. Dagegen
hören wir ihn selbst 1885 sagen: „Was mich ermutigt, das sind
die Zeichen an unserer heranwachsenden Generation. In unserer
Jugend ist ein ganz anderer nationaler Schwung und eine gruß-
artigere Auffassung des politischen Lebens, als in allen meinen
Altersgenossen. Lassen Sie uns mal erst alle sterben, dann