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Beachtung kann aber nur die Presse fordern, die den zu beurteilenden
Tatbestand und das anzuwendende Recht genau kennt und genau wieder-
gibt. An beiden Voraussetzungen fehlt es noch bedeutend.
Die Presse beschäftigt sich mit der Rechtspflege in der Hauptsache
entweder durch Berichterstattung oder durch Kritik. Auch die Bericht-
erstattung zur Befriedigung der Neugier und des Bedürfnisses nach Unter-
haltung ist nicht zu verwerfen. Besonders wichtig ist die Berichterstattung
zur Belehrung des Publikums über Rechtsfragen. Grundsätzlich, wenn auch
nicht praktisch, am wichtigsten ist aber die Berichterstattung zur Kontrolle
der Rechtspflege. Sonst könnte diese bei der beschränkten Zahl derer, die
tatsächlich einer Verhandlung beiwohnen können, überhaupt nicht ausge-
übt werden. Die Kritik hält den Richter mit dem Denken und Fühlen der
Allgemeinheit in Verbindung, weitet seinen Blick und gibt ihm Folgewir-
kungen und Beziehungen des Urteiles über den einzelnen Fall hinaus zu
erkennen, die ihm sonst vielleicht verborgen blieben.
Diese Ziele können in einwandfreier Weise aber nur erreicht werden,
wenn Berichterstattung und Kritik nur durch entsprechend vorgebildete
Berichterstatter erfolgen, wenn diese Berichterstatter bei der Erfüllung
ihrer Aufgaben von den Behörden selbst unterstützt werden und wenn
schließlich die dem wahrheitsgetreuen Berichte, der die Interessen der All-
gemeinheit wahrzunehmen bestimmt ist, noch vielfach entgegenstehenden
gesetzlichen Schranken durch die vom Verfasser vorgeschlagenen oder ähn-
liche Gesetzesänderungen beseitigt werden.
Dann wird Presse und Justiz in gegenseitigem Vertrauen dem kulturel-
len Fortschritt dienen.
So sehr ich mit dem Verfasser das Ziel einer Veredelung der Presse-
berichterstattung und der Pressekritik als erstrebenswert empfinde, so kann
ich doch einzelne Bedenken gegen seine Ausführungen nicht unterdrücken.
Zwar ist es nicht zu widerlegen, wenn GLASER das Verlangen, es solle
auch die Rechtsprechung der öffentlichen Kritik unterworfen sein, mit den
Gründen stützt:
Die Eignung zum Richterberufe, dem mächtigsten und verantwortungs-
reichsten aller Berufe, sei gegenwärtig an nichts anderes geknüpft, als an
ein eng begrenztes rein fachliches Wissen und Können, das an sich keinen
höheren und, sittlichen Wert habe, als das für viele andere Berufe nötige.
Dem Häuflein dieser Richter gegenüber könnten die Millionen der übrigen
Menschen nicht einfach kritiklos sein.
Man könnte freilich hinzufügen, daß die übrigen Millionen sich bei
den Richtern über die schwersten Strafsachen mit noch viel weniger be-
gnügen, indem sie beim Geschworenen auch auf das eng begrenzte Fach-
wissen sowie auf jede Prüfung seines sonstigen Wissens verzichten und die
Gründe seiner Entscheidung jeder Nachprüfung entziehen.
Nun schildert aber GLASER den idealen Berichterstatter wie folgt: