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der Blutstrom von anderwärts hervorgetrieben wird“ (Archiv für Strafrecht
und Strafprozeß Bd. 61 S. 399).
Den Anschluß an das herrschende Rechtsgefühl sucht MARBE durch
den Satz: „Und in Uebereinstimmung mit dem Leben machen wir den
Menschen auch strafrechtlich insoweit verantwortlich, als seine Handlungen
Funktionen seiner normalen Persönlichkeit sind. In Uebereinstimmung mit
dem sogenannten Rechtsgefühl in der gegenwärtigen Phase seiner Entwick-
lung halten wir den Menschen, sofern wir seine Handlungen als Funktionen
einer abnormen Persönlichkeit ansehen, für seine Handlungen nicht ver-
antwortlich' und auch nicht für strafbar, wir wenden jedoch sichernde
Maßnahmen gegen ihn an“ (S. 109).
Gegen die Vorstellungstheorie des Vorsatzes wendet MARBE ein, die
Vorstellungen der Erfolge könnten doch auch andere Bewußtseinsvorgänge.
wie Bewußtseinslagen und Worte, vertreten sein. Hier scheint mir ein
Mißverständnis vorzuliegen. Auch die Vorstellungstheorie verlangt keine
„ Vorstellung‘ des Erfolges im Sinne der wissenschaftlichen Psychologie.
Mit der richtig verstandenen Vorstellungstheorie steht MARBEs Satz: „Es
genügt vielmehr, wenn irgend ein Erfolg gewollt ist, mit dem ein straf-
barer Erfolg notwendig verknüpft ist, und wenn der Täter von dieser kau-
salen Verknüpfung Kenntnis hatte“ (S. 99), nicht in Widerspruch.
Bamberg. Ferdinand Stauffer.
Giunio Sabbatini, Commentoalleleggisulle espropriazioni
perpublica utilitä. 1. Band. 3. Aufl. Turin 1913. 858 S.
Wenn man heute angesichts der herrschenden Anschauungen über die
rechtswissenschaftlichen Methoden die Existenzberechtigung von Kommen-
taren in Zweifel ziehen kann, so ist demgegenüber doch zu sagen, daß eine
Exegese, welche nicht bloß in einer Wiedergabe oder Veranschaulichung
des Gesetzestextes besteht, sondern in einer lebendigen Durchdringung der
Gedanken des Gesetzgebers in ihrer Genesis und positiven Anwendung, der
Wissenschaft sehr förderlich ist. Daß die Kunst der Auslegung ein nicht
zu verachtender Weg zur Systematik ist, beweist SABBATINI in diesem
Werk, dessen Bedeutung in dem Vorwort dazu SCIALOJA auseinandersetzt.
Die Enteignung im öffentlichen Interesse ist eine Materie, die Elemente
verschiedener Natur enthält und wo der Jurist sein Augenmerk richten
muß sowohl auf den ganzen Komplex der Rechtsbeziehungen, als auch auf
deren einzelne Bestandteile, welche dem Ganzen Leben geben. Die Rechts-
wissenschaft hat mit Bezug auf die Expropriation zwischen zwei Haupt-
auffassungen geschwankt, welche beide über das Ziel hinausgeschossen haben
und als Produkte einer willkürlichen und abstrakten Erfassung dieses Rechts-
institutes zu bezeichnen sind. Die rein privatrechtliche Auffassung der
Enteignung als Zwangskauf ist ebenso unannehmbar wie die Meinung, welche