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den Eindruck des temperamentvollen (und interessanten) Plädoyers eines
Verteidigers als einer streng wissenschaftlichen Untersuchung ®; jedenfalls
erhält man mehrfach den Eindruck, daß — unbewußt — der nationale
Standpunkt den wissenschaftlichen allzu stark beeinflußt habe. Ferner
finden sich gelegentlich störende Wiederholungen, wie z. B. in dem Berichte
TAMRAROs über die italienische Annexionserklärung die Argumente aus
dem vorhergehenden Aufsatz FıoRzs !° teilweise, unter Berufung auf FIORE-
nochmals vorgetragen werden. Schließlich sei noch ein äußerlicher Punkt
erwähnt. Die Abhandlungen, wie übrigens auch die Berichte der Abtei-
lungen B und C des II, Teils, sind nicht durchweg in deutscher Sprache
veröffentlicht, sondern „gegebenenfalls“ in englischer oder französischer,
während die italienisch, spanisch usw. geschriebenen Aufsätze und Berichte
Jeweils übersetzt sind; das erscheint mir hier — im Gegensatz zum Ur-
kundenteil — nicht durchaus empfehlenswert. Es widerspricht der Ge-
pflogenheit der meisten ausländischen Zeitschriften, die gewöhnlich Berichte
und Aufsätze nur in der Landessprache veröffentlichen, und erschwert
sicher manchen deutschen Lesern die Benutzung des Jahrbuchs. Wenig-
stens sollten, wie es m. W. nicht selten ın naturwissenschaftlichen Zeit-
schriften geschieht, den fremdsprachigen Aufsätzen tunlichst kurze deutsche
Inhaltszusammenfassungen beigegeben werden.
An die Abhandlungen schließen sich dann als Abteilung B des II. Teils
„Berichte über die einzelnen Staaten“ (S. 885—1217); und zwar berichten
v. Könıe über das Deutsche Reich, v. DuUn@GERN über Oesterreich-Ungarn,
HuBer über die Schweiz, BENTwIcH über England mit Nebenländern, und
später über Aegypten gesondert, BASDEVANT über Frankreich, v. KoRFF
über Rußland, TAMBARO über die völkerrechtliche Literatur Italiens im
Berichtsjahr, REINSCH über die Vereinigten Staaten, SAX VıannAa über
Mittelamerika und über Südamerika, ITIBERK DA CUNHA über Brasilien
8 Sehr bedenklich erscheint u. a. in BurrTes Begründung für seine Ab-
lehnung einer schiedsgerichtlichen Austragung des Panamakanalabgaben-
Streites das Argument, es werde den Schiedsrichtern an der objektiven
Unparteilichkeit fehlen, weil jede Nation im Besitz einer Kriegs- oder
Handelsflotte bei der Frage interessiert sei, somit die Schiedsrichter in
eigener Sache Richter sein müßten (S. 409)! Sollte es wirklich unmöglich
sein, Richter zu finden, die sich durch ökonomische Interessen ihres
Heimatstaates in ihrer Entscheidung nicht beeinflussen ließen? Das
würde für die Entwicklung der Schiedsgerichtsbarkeit eine schlimme
Prognose bedeuten!
® Vgl. auch STIER-SOMLO in „Die Geisteswissenschaften“, Heft 10,
S. 275.
10 Derselbe scheint eine Denkschrift darzustellen, die vorher in italieni-
scher Sprache veröffentlicht worden war, vgl. S. 588 Anm. 2.