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schäfte“ bezeichnet werden. Auch diese Rechtsgeschäfte können als
solche keine Pflichten und Rechte begründen (vgl. KELsen, Hauptpro-
bleme, S. 550), wobei es gleichgültig bleibt, wer solche Rechtsgeschäfte
eingeht, ob Privatpersonen oder der Staat selbst (als Rechtsperson;; a contr.
Träger der Rechtsordnung). Gleichgültig ist ferner, ob sie juristisch per-
fekt werden durch den consensus der beteiligten Personen oder ob die
Rechtsordnung in gewissen Fällen schon an die einseitige Statuierung eines
solchen Rechtsgeschäftes rechtliche Folgen (d. h. Pflichten und Rechte)
knüpft. Als Beispiel dieses letzteren Falles kann der sog. „Verwaltungs-
akt“ gelten, der in der neueren Theorie ganz zutreffend als eine species
des genus „Rechtsgeschäft“ angesehen wird, den jedoch die noch tief im
polizeistaatlichen Gesichtskreise befangene deutsche Verwaltungsrechts-
wissenschaft noch immer als selbständige Rechtsquelle betrachtet. Verträge
unter Privaten haben bekanntlich sehr oft ganz die äußere Form von
Rechtssätzen (Gesetzen) — ein in Paragraphe gegliederter Inhalt usw. —,
trotzdem wird man jedoch gewiß nicht alle Kauf-, Pacht-, Miet- und son-
stigen Verträge resp. deren Inhalt als Bestandteile der Rechts-
ordnung ansehen; dasselbe gilt von Verwaltungsakten, die in der Form
von Konzessionen, Lizenzen usw. erscheinen.
Bezüglich der in Rede stehenden Frage ergeben sich nun die Konse-
quenzen der KrLsenschen Rechtslehre von selbst. Man muß sagen: Nur
dann, wenn internationale Verträge in Gesetzesform
erscheinen, sind sie als Bestandteile der Rechtsord-
nungen,d.h.alsRechtsnormen der beteiligten Staaten
anzusehen. Nur dann kann man in formaljuristischem Sinne von einer
Völkerrechtsordnung sprechen. Wenn diese formale Bedingung
nicht gegeben ist, dann sind diese Verträge ganz ebenso wie alle anderen
Rechtsgeschäfte in Relation zur Rechtsordnung lediglich rechtlich re-
levante Tatbestände. Und nur im ersten Falle erscheint der den
internationalen Vertrag schließende Staat als Träger (d. h. Quelle) der
durch ihn statuierten Normen, während er im zweiten Falle als eine seiner
Rechtsordnung unterworfene Rechtsperson zu gelten hat, welche, wie jede
andere, Verträge schließen kann. Beide Konstruktionen schließen sich
® Es ist von großer Wichtigkeit und nur konsequent, dies auch bezüg-
lich der sog. „delegierten Verordnung“ nicht zu tun, und man muß daher
mit dem Gedanken KELSENs, wonach „der Sıtz aller Rechtssätze, die ma-
teriell ihren Inhalt von der delegierten Verordnung erhalten, formell in das
ermächtigende Gesetz zu verlegen“ ist (Hauptprobleme, S. 557), sehr vor-
sichtig umgehen, da eine derartige „Verlegung“ ebenso gut in anderen
Fällen denkbar ist, z. B. bei einer von einem Gewerbetreibenden in seiner
Fabrik zu verlautbarenden Arbeitsordnung ($ 88a der österr. Gewerbe-
ordnung), bei jedem Testamente und zweiseitigem Vertrage usw.