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Neutralität wäre Eingriff in die Souveränetät des Nachbarstaats
und nur geeignet den Hader zu nähren und schwerste Mißstim-
mung zu erzeugen. Es braucht nur an die eine Tatsache erinnert
zu werden, daß die Magyaren den Reichsdeutschen keineswegs
abgeneigt sind — und die nun bewiesene treue Waffenhilfe dürfte
das Verhältnis aufrichtiger Sympathie ergeben haben —, während
ihre Beziehung zu den Deutschen in Oesterreich bisher nicht die
beste gewesen ist: würde nun unsere Politik den Magyaren gegen-
über die Partei der deutschen Landsleute nehmen, so erzielten
wir nur eine Verschärfung des bedauerlichen Gegensatzes, dessen
allmähliche Vermittelung doch dringend anzustreben ist, und
würden die eigene gute Beziehung zu den Magyaren verderben.
Unser Bündnis mit Oesterreich kann sich nicht verdichten zu
einem beide Reiche vereinigenden Gemeinwesen, möchte dabei an
einen Bundesstaat oder an die losere Form eines Staatenbundes
mit völkerrechtlicher Persönlichkeit gedacht werden. Wer ein
solehes Ziel in absehbarer Zeit für erreichbar erachtete, bewiese,
daß an ihm die Lehren der Geschichte spurlos vorbeigegangen
wären. Denn gerade der Dualismus zweier Großstaaten war es,
der den alten Bund unheilbar belastet hat und bei Steigerung
zum Bundesstaate vollends beide Teile um ihre gesunde Fortent-
wickelung und ihre Bewegungsfreiheit bringen müßte. Ein Wagen
vorn und hinten bespannt bleibt stehen oder kommt doch nur
ruckweise, bald vorwärts, bald rückwärts unter Vergeudung der
Zugkräfte und unter ärgerlichstem Streite der Lenker von der
Stelle. Frommen kann allein ein völkerrechtliches Bündnis,
das den gemeinsamen Interessen ein Zusammenwirken mit vollster
Kraft gewährleistet, im übrigen aber jedem Teile seine Freiheit
beläßt. Das so gesteckte Ziel schließt nicht aus, fordert sogar,
daß beide Staaten im Einvernehmen miteinander die Einrichtungen
durchführen, die zum vollwirksamen Schutze der gemeinsamen
Interessen nötig oder doch nützlich sind.
Es ist bekannt, daß Bismarck (Gedanken und Erinnerungen II