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setzliche Bestimmungen regeln könne, war von jeher anerkannten
Rechtens. Ein Beispiel bietet im Lippeschen Hause der Brüder-
vergleich der Stifter der erbherrlichen Linie von 1749, wodurch
für den Erwerb der an Stelle der Apanage getretenen Lippeschen
Rente die Freiinnenobservanz als Grundsatz der Ebenbürtigkeit
aufgestellt wurde.
Die Form des Erlasses hausgesetzlicher Bestimmungen für
Nebenlinien mußte je nach der rechtlichen Stellung der Nachge-
borenen verschieden sein. Für nicht regierende Herren ist vor
wie nach Untergang des alten Reiches nur die Form eines auch
die Nachkommen bindenden Vertrages möglich. Ein souveräner
Herrscher eines fremden Reiches konnte aber, zumal als absoluter
Monarch, hausgesetzliche Bestimmungen im Wege der Verordnung
erlassen, so noch aus den Zeiten des alten Reiches das Hausgesetz
des Kaisers Paul von Rußland von 1797 1%.
Voraussetzung der fortdauernden Zugehörigkeit der Neben-
linie zum Gesamthause ist freilich, daß ihr Sonderrecht sıeh inner-
halb des Rahmens des Gesamtrechtes des Hauses hält, oder daß
wenigstens die tatsächliche Uebung das Recht des Gesamthauses
nieht verletzt. Ein solcher Widerspruch mit dem Rechte des Ge-
samthauses kann nicht nur durch besondere Satzungen der Neben-
linie, sondern auch durch das für sie maßgebende ausländische
Recht entstehen. So kann eine Nebenlinie höhere Anforderungen
für die Ebenbürtigkeit stellen als das Gesamthaus, wie es in dem
Lippeschen Brüdervergleiche von 1749 geschehen ist, mit der
Wirkung, daß die Verletzung dieser besonderen Erfordernisse von
den Vermögensrechten der Nebenlinie ausschließt, aber die Zu-
gehörigkeit zum Gesamthause unberührt läßt. Umgekehrt konnten
englische Prinzen aus dem welfischen und koburgischen Hause
zwar mit Genehmigung des Königs heiraten, wen sie wollten, doch
schloß eine unebenbürtige Ehe ihre Nachkommenschaft zwar nicht
ı6 Vgl. EICHELMAnNN, Das kaiserliche russische Thronfolge- und Haus-
gesetz im Archiv für öffentliches Recht Bd. 3 (1888), S. 87 ff.