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FGG.) seien, sondern materiellrechtliche Bestimmungen zwingen-
der Natur, die grundsätzlich eine ihnen zuwiderlaufende Tätigkeit
des inländischen Vormundschaftsgerichts nicht gestatten. Danach
fehle der zu Unrecht angeordneten Vormundschaft jeder Rechts-
boden; eine rechtsgültige Vormundschaft bestehe gar nicht; daher
sei das Vormundschaftsgericht auch nicht zuständig, eine Anord-
nung betrefis der religiösen Erziehung der Mündel zu erlassen %.
Einen anderen Standpunkt teilt in dieser Frage ein Urteil
des V. Strafsenats des Reichsgerichts vom 19. De-
zember 1911 (RGStr. 45 N. 73 8. 309), dem folgender Sach-
verhalt zugrunde liegt:
Ein im Jahre 1899 von einer unverheirateten Niederländerin
in Cöln geborener Knabe war bald nach der Geburt zu den An-
geklagten, einem kinderlosen Ehepaar in H. bei Düsseldorf, ge-
bracht und von diesem seither wie ein eigenes Kind aufgezogen
worden. Im Jahre 1909 beantragte das Waisenamt in H. bei dem
für H. zuständigen Vormundschaftsgericht in Düsseldorf-Gerres-
heim die Anordnung der anderweitigen Unterbringung des Knaben,
weil er bei den Pflegeeltern schlecht aufgehoben sei. Da eine
Vormundschaft nicht bestand und das Gericht den Knaben für
einen Deutschen hielt, bestellte es einen Vormund. Dieser brachte
den Knaben anderweit zur Erziehung unter, ohne daß die Pflege-
eltern dieser Maßregel zunächst Widerstand geleistet hätten.
Nachher aber bemächtigten sich die Angeklagten des Knaben
wider den Willen des Vormundes und hielten ihn längere Zeit vor
12 Genau entgegengesetzt hatte in einem ganz gleich liegenden Fall
der Feriensenat des Kammergerichts im Beschluß vom 26. Juli 1904 (ZJPr.
05, 328) entschieden, daß eine Vormundschaft über einen Ausländer, auch
wenn sie unter Verletzung des Art. 23 EGBGB. eingeleitet ist, so lange
rechtswirksam besteht, bis sie aufgehoben ist, so daß also auch hier das
deutsche Vormundschaftsgericht eine Anordnung, die innerhalb einer be-
stehenden Vormundschaft erforderlich wird, wie die betreffs der religiösen
Erziehung der Mündel, erlassen könne. — Diese Rechtsanschauung des
Feriensenats hat der erste Zivilsenat des Kammergerichts in dem eingangs
erwähnten Beschluß ausdrücklich aufgegeben.