Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

— 349 — 
FGG.) seien, sondern materiellrechtliche Bestimmungen zwingen- 
der Natur, die grundsätzlich eine ihnen zuwiderlaufende Tätigkeit 
des inländischen Vormundschaftsgerichts nicht gestatten. Danach 
fehle der zu Unrecht angeordneten Vormundschaft jeder Rechts- 
boden; eine rechtsgültige Vormundschaft bestehe gar nicht; daher 
sei das Vormundschaftsgericht auch nicht zuständig, eine Anord- 
nung betrefis der religiösen Erziehung der Mündel zu erlassen %. 
Einen anderen Standpunkt teilt in dieser Frage ein Urteil 
des V. Strafsenats des Reichsgerichts vom 19. De- 
zember 1911 (RGStr. 45 N. 73 8. 309), dem folgender Sach- 
verhalt zugrunde liegt: 
Ein im Jahre 1899 von einer unverheirateten Niederländerin 
in Cöln geborener Knabe war bald nach der Geburt zu den An- 
geklagten, einem kinderlosen Ehepaar in H. bei Düsseldorf, ge- 
bracht und von diesem seither wie ein eigenes Kind aufgezogen 
worden. Im Jahre 1909 beantragte das Waisenamt in H. bei dem 
für H. zuständigen Vormundschaftsgericht in Düsseldorf-Gerres- 
heim die Anordnung der anderweitigen Unterbringung des Knaben, 
weil er bei den Pflegeeltern schlecht aufgehoben sei. Da eine 
Vormundschaft nicht bestand und das Gericht den Knaben für 
einen Deutschen hielt, bestellte es einen Vormund. Dieser brachte 
den Knaben anderweit zur Erziehung unter, ohne daß die Pflege- 
eltern dieser Maßregel zunächst Widerstand geleistet hätten. 
Nachher aber bemächtigten sich die Angeklagten des Knaben 
wider den Willen des Vormundes und hielten ihn längere Zeit vor 
12 Genau entgegengesetzt hatte in einem ganz gleich liegenden Fall 
der Feriensenat des Kammergerichts im Beschluß vom 26. Juli 1904 (ZJPr. 
05, 328) entschieden, daß eine Vormundschaft über einen Ausländer, auch 
wenn sie unter Verletzung des Art. 23 EGBGB. eingeleitet ist, so lange 
rechtswirksam besteht, bis sie aufgehoben ist, so daß also auch hier das 
deutsche Vormundschaftsgericht eine Anordnung, die innerhalb einer be- 
stehenden Vormundschaft erforderlich wird, wie die betreffs der religiösen 
Erziehung der Mündel, erlassen könne. — Diese Rechtsanschauung des 
Feriensenats hat der erste Zivilsenat des Kammergerichts in dem eingangs 
erwähnten Beschluß ausdrücklich aufgegeben.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.