Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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die Gesamtheit an der Erfüllung gewisser Rechtspflichten hat, ge- 
schieden werden. Denn diese Scheidung gibt keine scharfe 
Grenze, und andererseits kann man von jeder Rechtspflicht, wenn 
sie auch anscheinend lediglich dem Privatinteresse eines anderen 
dient, behaupten, daß ihre Erfüllung auch dem öffentlichen Inter- 
esse dient. Die Scheidung ist vielmehr in der Weise zu voll- 
ziehen, daß zunächst allgemeine Pflichten der Staatsuntertanen als 
privates Recht und dann die besonderen Pflichten der Staatsorgane 
als öffentliches Recht geschieden werden. Wie es Staatsorgane 
gibt, die in weitestem Maße auf Befehle von Vorgesetzten zu ge- 
horchen haben und auch nur auf solche Befehle hin tätig werden, 
so gibt es auch privatrechtliche Abhängigkeitsverhältnisse, bei 
denen der eine Teil den Weisungen des andern in weitestem Maße 
zu gehorchen verpflichtet ist, seine Rechtspflichten gegenüber denı 
anderen im wesentlichen dadurch erfüllt, daß er nicht allgemein 
übernommene Vertragsverpflichtungen erfüllt, sondern fortdauernd 
ihm erteilte Spezialbefehle des anderen ausführt. Dies gilt z. B. 
von den Rechtspflichten der Kinder gegenüber den Eltern, zum 
Teil auch für die Pflichten des Gesindes gegenüber der Herrschaft. 
Man spricht hier von Vereinigungen kraft Herrschaftsrechts im 
Gegensatze zu den Vereinigungen auf genossenschaftlicher Grund- 
lage. Für die tatsächliche Abhängigkeit des einen Menschen vom 
anderen und den Umfang seiner Freiheitsbeschränkungen ist es 
freilich weniger von Bedeutung, ob die Handlungen, die er zu- 
gunsten jenes zu vollziehen rechtlich verpflichtet ist, auf besondere 
Befehle jenes ausführt, als der, wie weit diese Handlungen gehen, 
ob sie seine Tätigkeit vollständig oder hauptsächlich in Anspruch 
nehmen. Die Abhängigkeit des modernen industriellen Arbeiters, 
die durch privaten Vertrag entsteht, vom Unternehmer ist keine 
geringere als die in jenen herrschaftlich organisierten Verbänden 
des alten Rechts, obwohl der industrielle Arbeiter in der Haupt- 
sache kraft des eingegangenen Vertrages seine Verbindlichkeiten 
erfüllt, ohne ständig auf Spezialbefehle des Unternehmers warten
	        
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