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in falsche Sicherheit einwiegen könnte. Werden die überwun-
denen Gegner sich bescheiden, wird England seinen Anspruch auf
die beherrschende Rolle im Welthandel aufgeben, Frankreich seine
Revancheidee fahren lassen, der panslawistische Ansturm auf das
Germanentum aufhören? Der Menschenfreund mag auf lange
friedliche Entwickelung hoffen, aber besonnene Staatsleitung muß
eine Erneuerung des Weltkrieges unter bedeutend gesteigertem
Kräfteaufwand der Gegner ins Auge fassen. Sicherheit können
die beiden Verbündeten nur finden in voller Anspannung ihrer
militärischen Kräfte. Die politische Entwickelung Europas, durch
Konkurrenzneid entfesselte mächtige Feindschaft hat uns in ein
ehernes Zeitalter gestellt. Die Hoffnung, daß es sich als Durch-
gangspunkt zu einem goldenen erweise, bleibt unverwehrt.
Eine vergleichende Würdigung der deutschen und der öster-
reichisch-ungarischen Heereseinrichtungen wäre jetzt, wo wir noch
mitten im Kampfe stehen, nicht am Platze. Darüber aber kann
kein Zweifel sein, daß überall, wo — hier oder dort — ein Ver-
besserungsbedürfnis bestehen sollte, unter Verwertung der ge-
machten Kriegserfahrungen in dem neuen Bundesverhältnisse
Wandel geschafft werden muß zu Nutz und Frommen beider Ver-
bündeten. Doch nicht Sache des Grundvertrags, wenn ein solcher
als Gegenstand parlamentarischer Beschlußfassung ausgeschieden
wird, wohl der ihn ergänzenden Abmachungen der Regierungen
wird es sein, die nötige Uebereinstimmung und Verbesserung zu
erzielen.
Es genügt nicht, die Wehrpflicht in beiden Reichen gleich
zu bemessen, es ist auch Einheit anzustreben in der Organisation
und Formation, in Bewaffnung und Kommando, in der Ausbildung
der Mannschaften, sowie in der Qualıfikation der Offiziere In
welchem Maße hierbei das deutsche, in welchem das österreichische
Muster den Vorzug verdient, in welchen Beziehungen selbständige
Verbesserungen anzustreben sind, wird demnächst den Gegenstand
eingehender fachmännischer Erwägung zu bilden haben. Erst auf