Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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dieser Anschauung bisher keine befriedigende Antwort auf die 
weitere Frage, ob denn jene im Geist erschaute allgemeine Wissen- 
schaft von der Gesellschaft nur eine synthetische Prinzipienlehre 
der Einzelwissenschaften, ein allgemeiner Teil der konkreten Ge- 
sellschaftswissenschaften ist, oder ob sie einen eigenen Gegenstand 
hat. Auch zeigten die bisherigen Versuche, den Problemen der 
neuen Wissenschaft praktisch näher zu kommen, in ihrer Methode 
ein gar buntscheckiges Bild. Da gibt es eine biologisch-organische 
Methode, deren Vater AUGUSTE COMTE war, und die in Deutsch- 
land namentlich von SCHÄFFLE gepflegt wurde. Da gibt es weiter 
eine rassentheoretische Richtung, die mit der Zauberformel der 
vererblichen Rassenanlage die Welt und ihr menschliches Geschehen 
erklären möchte. GOBINEAU, HOUSTON STEWART CHANBERLAIN, 
WOLTMANN sind ihre bekanntesten Vertreter. Da gibt es ferner 
eine psychologische Methode, den deutschen Juristen nahegerückt 
durch des Staatsmannes G. RÜMELIN Kanzlerrede „Ueber den Be- 
griff der Gesellschaft“ (zuletzt Tübingen 1907). Da gibt es end- 
lich — um aus dem vielen nur noch eines herauszugreifen — eine 
rationalistische Richtung, vertreten — jeweils in besonderer Eigen- 
art — durch STAMMLER, OTHMAR SPANN und andere. 
Man kann es begreifen und entschuldigen, wenn dieser Fülle 
der Gesichte gegenüber mancher Jurist den Eindruck einer gewissen 
Unklarheit empfing und vorläufig von der Soziologie nichts wissen 
will. Ist ihm doch dieses Schlagwort noch obendrein dadurch un- 
sympathisch geworden, daß es neuerdings in enger Verbindung 
mit der „Freirechtslehre*“ auftrat. 
Und dennoch: Auch die Soziologie vermag, bei unparteiischer 
Prüfung ihrer Legimationspapiere, über Name, Art und Inhalt sich 
so gut auszuweisen, daß selbst der begriffsstrengste Jurist ihr den 
Einlaß in die Privatrechtswissenschaft nicht länger verwehren sollte, 
ja daß ihr die Tore des öffentlichen Rechts schon jetzt weit offen 
stehen. Wenn der gärende Most sich noch nicht zum reinen Wein 
der Erkenntnis abgeklärt hat, so berechtigt das keineswegs dazu,
	        
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