Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Verschiedenartig wie der Inhalt dieser Vorträge, ist die in 
ihnen niedergelegte Auffassung vom Wesen der Soziologie und 
von der Methode soziologischer Betrachtung. Mit Recht bemerkte 
KANTOROWICZ (Verh. I 277), die berüchtigte Frage nach dem Be- 
griff der Soziologie sei „unbeantwortbar“; es gebe mehrere Gegen- 
stände, die würdig seien, als „Soziologie“ bezeichnet zu werden. 
Auch TÖNNIES’ programmatische Eröffnungsrede (Verh. I 17 ff.) för- 
dert nicht wesentlich unsere Einsicht in das Verhältnis der Soziologie 
zu den sozialen Einzelwissenschaften. Und die übrigen Einzel- 
vorträge halten uns ein Kaleidoskop der buntesten Methodenvielheit 
vors Auge. Was SIMMEL über die Geselligkeit ausführt (Verh. I, 
1ff.), GOTHEIN über die Panik (I, 216 #.), MICHELS über die historische 
Entwicklung des Vaterlandsgedankens (II, 140 ff.), das enthält über- 
wiegend Sozialpsychologie.e Auch TRÖLTSCH religionsgeschicht- 
licher Vortrag (I, 166) ist von psychologischen Gesichtspunkten 
beherrscht. Dagegen folgt BARTH in seinen Darlegungen über 
die Nationalität (II, 21 ff.) einer philologisch-ethisierenden Methode, 
und VOIGT bewegt sich in den Ausführungen über Wirtschaft und 
Recht (I, 249 ff.) mehr auf dem Gebiet der Wirtschaftswissenschaft 
als auf dem soziologischen Grenzland der Wechselbeziehungen 
zwischen Recht und Wirtschaft. KANTOROWICZ wiederum (I, 275 ff.) 
bekundet eine Auffassung, die sich mit dem oben erörterten heu- 
ristischen Prinzip im ganzen deckt, und von dem Boden derselben 
Grundauffassung aus bespricht SOMBART die Wechselwirkungen 
zwischen Technik und Kultur (I, 69 £.). 
Je weitherziger und großzügiger hier also allen möglichen 
Methoden soziologischer Betrachtung Raum gegeben wurde, um 
so begreiflicher ist es, daß man nach einer anderen Richtung hin 
strenge Selbstbeherrschung zu üben versucht hat: Ein scharf ge- 
schliffenes Damoklesschwert schwebte über den Häuptern aller 
Vortragenden. Werturteile waren verpönt. Nach $ 1 der Satzungen 
lehnt die Gesellschaft für Soziologie „die Vertretung irgendwelcher 
praktischen (ethischen, religiösen, politischen, ästhetischen usw.)
	        
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