Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Wertungen. Ohne das Salzkorn dieser Erkenntnisurteile gibt es 
keine Geschichtswissenschaft! 
Wenn man die Frage aufwirft: Was hat Alexander der 
Große für die Hellenisierung der östlichen Mittelmeerländer be- 
deutet?, so liegt schon in der Problemstellung ein Werturteil 
über die Würde des Problems, über den kausalen Erkenntnis- 
wert, den seine Lösung schaffen würde. Und wenn man die 
Geschichte einer bedeutenden Persönlichkeit darzustellen unter- 
nimmt, so scheidet man zuvor aus der Fülle des Stoffes dasjenige 
aus, was für Lebenswerk und Charakterbild des Betreffenden un- 
wesentlich erscheint. Diese Sichtung vollzieht sich nach einem 
Werturteil über das kausal Wissenswerte. Jedes Streben ferner 
nach kausaler Erklärung bedingt ein abschätzendes Werturteil 
über die geringere oder größere oder ausschließliche ursächliche 
Bedeutung ermittelter Tatsachenreihen, und je verwickelter ein ge- 
schichtliches Problem ıst, desto mehr bedarf es solcher wertenden 
Entwirrung vielfach sich kreuzender Ursachenketten. Auch ist die 
Beurteilung geschichtlicher Ursachenverknüpfungen nicht möglich 
ohne gleichzeitige wertende Stellungnahme zu gewissen grund- 
legenden Axiomen der Geschichtsbetrachtung, wie z. B. zur soge- 
nannten materialistischen Geschichtstheorie oder zur rassentheo- 
retischen Geschichtsphilosophie, und solche Werturteile sind denn 
auch gerade von den eifrigsten Hütern wertfreier Erörterung, von 
Tönnıes (I, 192) wie von MAx WEBER (I, 196, 266, und dazu 
PoHLE S. 272) in den Meinungsstreit geworfen worden. Und wie 
bei der Ursachenforschung, bedarf man der wertenden Betrachtung 
auch, wenn es gilt, die geschichtlichen Wirkungen feststehender 
Tatsachen zu ermitteln, namentlich dann, wenn diese Tatsachen 
sich darstellen als ein zweckbewußtes, zielstrebiges Handeln, z.B. 
als die Normsetzung von seiten eines Gesetzgebers. Ohne ein Ur- 
teil, ob die Norm ein geeignetes Mittel für die Erreichung der 
dem Gesetzgeber vorschwebenden Zwecke war, ob man mit ıhr 
diese Ziele erreicht hat oder nicht, welche anderweitigen Wir-
	        
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