Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Sollte nicht z. B. die deutsche Verfassungsgeschichte von Taeitus’ 
Germania bis auf Deutschlands heutige Reichsverfassung ursäch- 
lich eng verknüpft sein mit gewissen Eigenschaften des deutschen 
Charakters? Bekanntlich haben die Rassentheoretiker ähnliches 
behauptet. Sie wollen den Ablauf der Weltgeschichte in ihren 
Hauptzügen aus Rasseeigenschaften der Völker und der sozialen 
Gruppen innerhalb desselben Volkes erklären. Gegen die unwissen- 
schaftliche Entartung dieses Grundgedankens zu einer Rassenideologie 
wendet sich OPPENHEIMERs Vortrag (II, 98 ff.) in schneidiger Reiter- 
attacke. ÖOPPENHEIMER tritt. den leidenschaftlichen Rassentheoretikern 
als ein ebenso leidenschaftlicher Milieutheoretiker entgegen. Vor- 
zugsweise aus den Einwirkungen der Umwelt, nur nebenbei aus 
dem mitwirkenden Faktor der Rassenbegabung, will er die Tat- 
sachen der Entwicklung erklären. Aber mag man auch CHAMBER- 
LAINs Germanomanie als unwissenschaftlich verdammen und in 
seiner Konstruktion einer einheitlichen kelto-germano-slawischen 
Rasse ein Trugbild der Phantasie erkennen, die Tatsache, daß es 
im Völkerleben kausale Rasseeigenschaften gibt, spricht doch ge- 
rade jetzt mit zu elementarer Gewalt zu uns, als daß wir sie nur 
deshalb leugnen dürften, weil sie sich bisher der genauen wissen- 
schaftlichen Feststellung entzog. Tausendfältig lehrt uns der Welt- 
krieg ihre Wahrheit. Oder wäre sein Ausbruch zu verstehen ohne 
den kalt berechnenden, erbarmungslos brutalen Handelsgeist der 
Briten, ohne die revanche-lüsterne Eitelkeit und Ruhmsucht der 
Franzosen, ohne den finstern Größenwahn der Panslawisten, ohne 
die phantasieberauschte Selbstgefälligkeit und skrupellose Hinter- 
haltigkeit als italienische Nationaltugenden ? 
Aber wichtiger noch als das Problem der Rasse scheint mir 
für den soziologischen Publizisten dasjenige der Nation. Die 
Klärung des Begriffes „Nation“ ist die Voraussetzung für den Auf- 
bau eines „Rechtes der Nationalitäten“. Um es vorweg zu nehmen: 
Die Verhandlungen des zweiten Soziologentages haben in dieser 
Hinsicht kaum einen wesentlichen Fortschritt der Erkenntnis ge-
	        
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