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bracht. BARTHs philologisch gerichteter Vortrag berührt diese
grundlegende soziologische Frage kaum; er enttäuscht durch die
rechtsgeschichtlich kaum haltbare Rolle, die er der Gesetzgebung
zuweist (II, 24 ff.). Ueberall, so führt er aus, werde die bisherige
Sippenverfassung aufgelöst und umgebildet durch die „Gesetz-
gebung“. Sie bedeute den Uebergang von der Sippenverfassung
zur ständischen Verfassung. Der — sehon vorhandene — Staat
wirke jetzt, nach der Gesetzgebung, auch nach innen, z. B. durch
Abschaffung der Blutrache. Aber die Gesetzgebung pflegt zunächst
nur das schon vorhandene Gewohnheitsrecht aufzuzeichnen. Nicht
sie ist es, welche die ständische Gliederung des Volkes bewirkt,
sondern ganz andere gesellschaftliche Faktoren tun das, wie:
Grundbesitzverteilung, Unfreiheit und allmähliche berufliche Arbeits-
teilung, zusamenhängend mit politischer Machtübung (Verknech-
tung und Besitzenteignung unterworfener Völkerschaften, Verge-
waltigung der Schwachen durch die Großen, Bildung eines Be-
amtentums), ferner mit Lebenssitte und Charakterveranlagung
(Intensivierung des Ackerbaues bei zunehmender Volksdichtigkeit,
veränderte Kriegstechnik des Reiterheers, Vasallität). Auch hat
nicht die Gesetzgebung die Blutrache abgeschafft (vgl. die ger-
manischen Volksrechte), sondern die allmähliche Erstarkung der
Gerichts- und Vollstreckungsgewalt des Staates, die er dem Aus-
bau seines Beamtenkörpers verdankt (Graf und Schultheiß).
BARTHs Ausführungen können daher vom soziologischen Stand-
punkt aus nicht befriedigen, sie klären nicht das Wesen der
Nation.
Von Seiten der Juristen ist oft, wie F. SCHMID erwähnt (II,
67), das äußere Moment der Sprache, als begrifflich für die Na-
tionalität entscheidend, betont worden. Nicht ohne Widerspruch
zu finden. Man hat auf innere Momente hingewiesen; BERNATZIK
z. B. will das in eine Öffentliche Matrikel einzutragende Selbst-
bekenntnis des Individuums für dessen Nationalität ausschlaggebend
sein lassen. Es ist bezeichnend, daß solche Vorschläge vielfach