Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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Tiefen der Privatrechtslehre auf. Es ist der Kampf um die Me- 
thode der Privatrechtswissenschaft, die Methode der bürgerlichen 
Rechtsprechung, der dort entbrannte. TRÖLTSCH und ANDREAS 
VoIGT freilich geben mit ihren Vorträgen nur ein friedfertiges 
Präludium dazu und brauchen uns daher nicht lange zu beschäf- 
tigen. In psychologischer Analyse legt TRÖLTSCH dar (I, 166 ff.), 
wie das christliche Sozialideal der Kirchen, der Sekten und der 
Mystik sich schlecht und recht auseinandergesetzt hat mit den 
harten Tatsachen des Lebens: Mit Hilfe eines christlichen Natur- 
rechts, anknüpfend an das sittliche Naturgesetz der Stoiker, hat 
man diesen Gegensatz zu überbrücken versucht. Nur kurz ge- 
streift wird von TRÖLTSCH das Naturrecht des HUGO GROTIUS 
und der Aufklärungszeit und die Kontinuität der Entwicklung, 
durch die es mit dem christlich-kirchlichen Naturrecht verbunden 
ist. Ganz unerwähnt bleibt die Tatsache, daß ın der Rechtslehre 
der Gegenwart der Gedanke eines „Naturrechts mit wechselndem 
Inhalt“ von verschiedenen Seiten wieder aufgenommen wurde, von 
STAMMLER aufrationalistisch-kantianischer Grundlage, von BEROLZ- 
HEIMER in Anlehnung an HEGELsche Spekulation, und von man- 
chen Vertretern der sog. Freirechtslehre auf soziologischer Basis. 
Daß gewisse geistige Zusammenhänge bestehen ® zwischen der 
Forderung soziologischer Rechtsprechung und den Naturrechts- 
bestrebungen vergangener Zeiten, ist unverkennbar. Immer noch, 
wo es galt, einen neuen Lebensinhalt in rechtliche Formen umzu- 
setzen, hat das „von Natur“ gegebene Recht oder die „Natur der 
Sache“ die Brücke gebildet, die von eifrigen Pionieren geschlagen 
wurde. Aber es ist doch zu beachten, daß das angebliche Natur- 
recht der soziologischen Rechtsprechung vom spekulativen Natur- 
recht der Aufklärungszeit: nach Inhalt und Auffindungsmeth.ode 
  
3 Vgl. über sie KANTOROWICZ im Juliheft 1914 der Zeitschrift „Die Tat“ 
S. 345 ff.; meine Ausführungen im Arch. f. d. ziv. Praxis 110 S. 303 ff. und 
in Zeitschrift für Handelsrecht 77 S. 258. Vgl. auch MAnNIGK, Savigny und 
der Modernismus im Recht (1914), passim, namentlich 8. 132 ff.
	        
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