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durch einen tiefen Schnitt getrennt bleibt. Es handelt sich ın
Wahrheit um einen alten Namen für eine in ihrem Wesen neue
Sache. Ich habe das in anderem Zusammenhang näher dargelegt.
VoI@Ts Vortrag findet seinen Schwerpunkt in einer Begriffs-
bestimmung der „Wirtschaft“. Unter Ablehnung von STAMMLERSs
Formulierung, Wirtschaft sei alles gesellschaftlich geregelte Han-
deln zum Zwecke der Befriedigung irgend eines Bedürfnisses
(II, 251), sieht er das entscheidende Moment in der Beziehung
zwischen Zweck, Mittel und Motiv der Wirtschaft: Wirtschaften
heiße nach dem wirtschaftlichen Prinzip über Mittel verfügen,
d. h. gegebene Bedürfnisse mit möglichst wenig Mitteln befriedigen.
Inhalt des Rechts sei demgegenüber (II, 259) die Beschränkung
der wirtschaftlichen Dispositionsfreiheit hinsichtlich der Mittel,
die zur Verfügung stehen, durch den Willen der Gesamtheit.
Gegen beide Ausführungen lassen sich Einwendungen erheben. Ist
gegen jene Begriffsbestimmung der Wirtschaft in der Debatte
geltend gemacht worden, sie trage unzulässigerweise ein Wert-
urteil hinein, das Moment der besten Befriedigung der Bedürf-
nisse, so steht und fällt diese Realdefinition des Rechts mit der
manchesterlich-individualistischen Rechtsauffassung. Die Ansicht,
alle Rechtsauffassung gehe von dem Grundsatz aus, daß jedermann
nach Belieben handeln könne, sofern nicht die Rücksichtnahme
auf Rechte anderer eine Beschränkung nötig mache, ist rechtsge-
schichtlich unhaltbar. Das primitive Recht geht nicht von der
individuellen Handlungsfreiheit des einzelnen aus, sondern umge-
kehrt von seiner Bindung an soziale Abhängigkeitsverhältnisse
aller Art. Erst ganz allmählich, für Deutschland zuerst im
städtischen Recht gegen Ausgang des Mittelalters, setzt sich der
Gedanke individueller Freiheit und Rechtsgleichheit durch, und
heute ist die Entwicklungstendenz wiederum die, das Maß indivi-
dueller Freiheit einzuschränken zugunsten sozialer Gebundenheit
nach manchen Richtungen hin.
In KANTOROwIcCZ’ Vortrag rückt die Rechtssoziologie endlich