Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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durch die Papyrologie. In der Dogmatik herrscht dagegen noch 
heute der Methodenkampf. 
Freilich sind die Schwächen der altüberlieferten Hermeneutik 
so offensichtlich und so oft dargelegt, daß diese in der Theorie 
kaum noch uneingeschränkte Verteidigung findet. Aber in der 
Praxis der Rechtsprechung folgt man ihr doch noch vielfach un- 
bewußt bis in ihre Irrtümer hinein. Anderseits ist es noch immer 
nicht Gemeingut soziologischer Erkenntnis geworden, daß zwischen 
den gesellschaftlichen Lebenstatsachen und der Norm des Gesetzes 
als verbindendes Glied der Zweck und die Wirkung des Gesetzes 
stehen, gleichwie zwischen rechtsgeschäftlicher Erklärung und 
vesellschaftlichem Leben der Interessenzweck der Partei als ver- 
bindendes Glied steht. KANTOROWICZ kritisiert demgemäß die 
formalistische Subsumtionstheorie der alten Hermeneutik und 
will sie ersetzen durch eine Rechtsprechung nach dem Zweck des 
Gesetzes. Also sei Zweckforschung ein soziologisches Lebensbe- 
dürfnis für die Rechtsprechung (Il, 281). 
Ueberblickt man heute, nach reichlich vier Jahren, KANTO- 
ROWICZ Gedankengänge, so darf man wohl feststellen, daß wir 
inzwischen in der Erkenntnis und in der Formulierung weiterge- 
konımen sind. Klärend wirkten vor allem — wenn ich von mei- 
ner Abhandlung im Archiv für die Zivil. Praxis Bd. 110 S. 219 ff. 
absehe — EHRLICHs Grundlegung der Soziologie des Rechts (1913) 
und HECKs Gesetzesauslegung und Interessenjurisprudenz (1914). 
KANTOROWICZ’ Vortrag beschränkt sich im wesentlichen noch da- 
rauf, Umrisse und Andeutungen zu geben, die von Unklarheiten, 
ja von offenbaren Irrtümern nicht ganz frei sind, und die noch 
manche einschlägige Frage unbeantwortet lassen. Auch ist für 
seine Redeweise noch derselbe Kampfeston kennzeichnend, der 
seine flammende Agitationsschrift von 1906 (GNAEUS FLAVIUS, 
der Kampf um die Rechtswissenschaft) berühmt gemacht hat. 
Man darf ihm daraus m. E. keinen Vorwurf machen. In einer 
Uebergangszeit, in der das Neue heftig befehdet oder kühl abgelehnt
	        
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