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wird und auch von gegnerischer Seite der Uebertreibungen viele
mit unterlaufen — man lese nur DÜRINGERs wenig liebenswürdige
Bemerkungen über ERNST FUCHS nach * —, da ist es begreiflich
und psychologisch fast eine Notwendigkeit, daß die ruhige Rede
gelegentlich von schmetternder Angriffsfanfare übertönt wird.
Auch der Schreiber dieses weiß sich von dieser Schwäche nicht
frei. Kommt man später dann in ein ruhigeres Marschtempo,
wird auch die Sprache alsbald gelassener.
Schwerer als solche Stilmängel eines überschäumenden Tem-
peraments wiegen gewisse sachliche Unzulänglichkeiten, vor allem
KANTOROWICZ’ seltsamer Mißgriff in der Beurteilung der Interessen-
wägung. Hiermit hat es folgende Bewandtnis: Jede echte Ge-
setzesnorm, die nicht eine bloße Definition oder bloße Gebots-
elemente enthält, sondern ein fertiges Gebot oder Verbot oder
Gewährenlassen, kann man in drei Elemente zerlegen: 1. den
hypothetischen Tatbestand, in welchem sich eine bestimmte
soziale Interessenlage, im Sinne STAMMLERs die „Voraussetzung“,
widerspiegelt, 2. die daran angeknüpfte Norm, die sich ihrem
Wesen nach als eine Interessenwägung, als die Schlichtung eines
Interessenkonfliktes darstellt — bei STAMMLER als „Folge“ bezeich-
net —, und endlich 3. eine dahinterstehende Zweckvorstel-
lung, die sich des Gebotes als eines Mittels für die Erreichung
ihrer gesellschaftlichen Ziele bedient. Aeußerlich betrachtet nun,
vollzieht sich die Rechtsfindung aus dem Gesetz in Gestalt des
bekannten logischen Schlußverfahrens, für welches STAMMLER die
Formel prägt °:
* DORINGER, Richter und Rechtsprechung (1909), wo der höchst ver-
dienstvolle Vorkämpfer der Rechtssoziologie als „Karlsruher Freirechts-
pfäffllein®, als „Hans Wurst aller modernen Ideen‘, als „schlauer Fuchs“,
der „den Enten predigt“ usw. gebrandmarkt wird und sogar antisemitische
Seitensprünge nicht fehlen.
5 Theorie der Rechtswissenschaft S. 664.