Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

—_ 126 — 
Gestalt der Tatbestandskonstruktion, sowie die systematisierende 
Verarbeitung der gewonnenen Einzelergebnisse in Gestalt von be- 
grifflicher Rechtssatzkonstruktion und Prinzipienkonstruktion "°. 
Das hat KANTOROWICZ erkannt. Aber wenn er die unheilvolle 
Vermengung von Rechtssoziologie und Dogmatik bekämpft, so 
scheint er doch anderseits zu übersehen, daß es sich nicht um 
eine reinliche Scheidung zwischen zwei verschiedenen Zweigen der 
Rechtswissenschaft handeln kann. Denn die Rechtssoziologie lei- 
stet nicht nur vorbereitende Arbeit empirischer Tatsachenerkenntnis, 
se durchdringt und beeinflußt zugleich auch 
den Inhalt der Dogmatik selber. Die soziologischen 
Ermittlungen entwickeln einen richtunggebenden Einfluß auch auf 
die Gesetzesauslegung in Verbindung mit der konkreten Tatbe- 
standskonstruktion (abstrakte und konkrete Interessenwägung), 
sie bewirken ferner, daß auch der Erkenntnisinhalt und die For- 
mulierungsprobleme der Dogmatik sich ändern: Neue Tatbestands- 
begriffe, neue Normbegriffe tauchen auf und harren der konstruk- 
tiven Einordnung in das gedankliche System der Rechtsordnung. 
Ja vielleicht wird dieses System selber im Laufe der Zeit sich von 
Grund aus ändern und von soziologischen Funktionsbegriffen, als 
den maßgeblichen Rechtsbegriffen beherrscht sein. Auch schärft 
erst die soziologische Betrachtung den Blick dafür, daß und in 
welchem Grade die ausschließlich logisch orientierte Prinzipien- 
konstruktion der nun glücklich überwundenen „höheren Jurispru- 
denz“ durch die Aufstellung soziologischer „Sonderprinzipien* und 
„Gemeinprinzipien* zu ersetzen ist, z. B. des Prinzips, daß, wer 
einen Verkehrsweg eröffnet, für die Sicherheit dieses Verkehrs zu 
haften hat. Rechtssoziologie und Dogmatik durchdringen 
sich also gegenseitig auf dasinnigste, es gibt eine spezi- 
fisch soziologische Dogmatik, welche, wie ich glaube, 
ı2 Vgl. darüber meine Ausführungen im Arch. f. die ziv. Praxis 110 
S. 371 ff.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.