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Gestalt der Tatbestandskonstruktion, sowie die systematisierende
Verarbeitung der gewonnenen Einzelergebnisse in Gestalt von be-
grifflicher Rechtssatzkonstruktion und Prinzipienkonstruktion "°.
Das hat KANTOROWICZ erkannt. Aber wenn er die unheilvolle
Vermengung von Rechtssoziologie und Dogmatik bekämpft, so
scheint er doch anderseits zu übersehen, daß es sich nicht um
eine reinliche Scheidung zwischen zwei verschiedenen Zweigen der
Rechtswissenschaft handeln kann. Denn die Rechtssoziologie lei-
stet nicht nur vorbereitende Arbeit empirischer Tatsachenerkenntnis,
se durchdringt und beeinflußt zugleich auch
den Inhalt der Dogmatik selber. Die soziologischen
Ermittlungen entwickeln einen richtunggebenden Einfluß auch auf
die Gesetzesauslegung in Verbindung mit der konkreten Tatbe-
standskonstruktion (abstrakte und konkrete Interessenwägung),
sie bewirken ferner, daß auch der Erkenntnisinhalt und die For-
mulierungsprobleme der Dogmatik sich ändern: Neue Tatbestands-
begriffe, neue Normbegriffe tauchen auf und harren der konstruk-
tiven Einordnung in das gedankliche System der Rechtsordnung.
Ja vielleicht wird dieses System selber im Laufe der Zeit sich von
Grund aus ändern und von soziologischen Funktionsbegriffen, als
den maßgeblichen Rechtsbegriffen beherrscht sein. Auch schärft
erst die soziologische Betrachtung den Blick dafür, daß und in
welchem Grade die ausschließlich logisch orientierte Prinzipien-
konstruktion der nun glücklich überwundenen „höheren Jurispru-
denz“ durch die Aufstellung soziologischer „Sonderprinzipien* und
„Gemeinprinzipien* zu ersetzen ist, z. B. des Prinzips, daß, wer
einen Verkehrsweg eröffnet, für die Sicherheit dieses Verkehrs zu
haften hat. Rechtssoziologie und Dogmatik durchdringen
sich also gegenseitig auf dasinnigste, es gibt eine spezi-
fisch soziologische Dogmatik, welche, wie ich glaube,
ı2 Vgl. darüber meine Ausführungen im Arch. f. die ziv. Praxis 110
S. 371 ff.