Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 34 (34)

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berufen ist, die Erbschaft der rein formalistischen Dogmatik an- 
zutreten. 
Daneben findet sich allerdings auch eine reine Rechtsso- 
ziologie, die von der Dogmatik des positiven Rechts unab- 
hängig ist. Ihre Aufgabe bestimmt EHRLICH" dahin, das Ge- 
meinsame der Rechtsverhältnisse in allen Ländern und Zeiten ohne 
Rücksicht auf die positiven Rechte, die für sie gelten, zusammen- 
zufassen und die Verschiedenheiten nach ihren gesellschaftlichen 
Ursachen und Wirkungen zu erforschen. In diesem Sinne gibt es 
z. B. eine Soziologie des Eigentumsrechts. Dieser Zweig der 
Rechtswissenschaft kann die rechtsvergleichende und rechtsge- 
schichtliche Erfahrung nicht entbehren. Er entsprießt — ein 
neues, noch kaum erblühtes Reis — dem alten Baum der rechts- 
geschichtlichen Forschung, sofern diese sich der soziologischen 
Methode bedient. Und da ist denn die Uebereinstimmung erfreu- 
lich, mit der in den Verhandlungen des ersten Soziologentages 
die Bedeutung der soziologischen Methode für die rechtsgeschicht- 
liche Forschung betont worden ist (Il, 304 ff.). Es sind nament- 
lich zwei verhängnisvolle Fehler, denen die rechtsgeschichtliche 
Betrachtung früher in Deutschland oft erlag. Der eine ist die, 
von KANTOROWICZ so genannte „isolierende“* Betrachtung: Sie 
will alle Veränderungen der Rechtsnormen immer nur aus voran- 
gegangenen rechtlichen Erscheinungen erklären, läßt damit aber 
unser Kausalbedürfnis unbefriedigt, vernachlässigt namentlich die 
Einwirkung der Wirtschaftsverhältnisse auf die Rechtsumbildung. 
Der andere Fehler ist die konstruktive Behandlung nicht mehr 
geltender Normen, das Bestreben, sie zu einem lückenlosen System 
auszubauen. KANTOROWICZ trifft das Richtige, wenn er darauf 
hinweist, das vergangene Recht könne nur als Tatsache, nicht als 
Norm behandelt werden. „Es gibt“, sagt JELLINEK, „kein Sein- 
Sollendes nach rückwärts“. Allerdings erleidet diese Wahrheit 
eine Einschränkung, auf die MAx WEBER in der Debatte hinge- 
13 Grundlegung der Soziologie des Rechts S. 386.
	        
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