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die Geschichte eines heutigen Rechtsbegriffes zu schreiben unter-
nimmt. Nur als gedanklicher Ausgangspunkt, als Nominaldefini-
tion, und als bewußter Endpunkt einer geschichtlichen Typen-
differenzierung ist er brauchbar.
KANTOROWICZ stellt der „Normengeschichte* die „Sozialge-
schichte“ des Rechts gegenüber, in der er einen Ausschnitt aus
der allgemeinen Kulturgeschichte erblickt. Ich halte diese be-
griffliche Antithese nicht für empfehlenswert. Die Rechtsgeschichte
ist, wie EUGEN EHRLICH in seiner Grundlegung fein ausführt,
nicht in erster Linie Dogmen- oder Normengeschichte, sondern
Geschichte der Kechtseinrichtungen. Auch die Norm wird in ihrer
Geltung geschichtlich als Tatsache, als vorhanden gewesene Rechts-
einrichtung gewürdigt, und sie wird in ıhren Ursachen, ihren Wir-
kungen gesellschaftlich erfaßt, soziologisch betrachtet. Jede me-
thodisch riehtige Rechtsgeschichte ist deshalb m. E. Sozialgeschichte
des Rechts, welche eine Aufeinanderfolge von Tatsachen kausal
zu erklären versucht. Ich vermag STAMMLER nicht beizustimmen,
wenn er das Wesen der Rechtsgeschichte in einer Folge von
Zwecksetzungen, einer Kette von Zielen und Mitteln erblickt, und
daher der kausalen Betrachtung die teleologische Betrachtung
voranstellen möchte '* M. E. werden auch die Zwecke vergange-
ner Rechtseinrichtungen, wenn man sie geschichtlich betrachtet,
kausal gewürdigt, nämlich als verursachte Zweckvorstellungen und
als ihrerseits verursachende Normschöpfer, sowie ferner im Hin-
blick auf Zweckverwirklichung und Zweckvereitelung der Norm.
Allerdings erleidet diese kausale Betrachtung die Einschränkung,
daß der Jurist den Schwerpunkt seiner Forschung mehr darin
findet, die Gestaltung der Normen aus der Wirkung bestimmter
gesellschaftlicher Erscheinungen heraus zu erklären, als umgekehrt
den Einfluß der Normen auf die geschichtlichen Strukturänderungen
des gesellschaftlichen Lebens zu verfolgen. Insofern mag man
14 Theorie der Rechtswissenschaft S. 760 ff.