— 43 —
des Admiralitätsrichters Sir WILLIAM ScoTT tritt auch hier hervor; der
englische Delegierte zu den Verhandlungen mit Rußland war durchaus kein
überragender Kopf.) Die Kritik KrAuEıs an der kritiklosen Uebernahme
anglo-amerikanischer Völkerrechtstiraden in französische und deutsche
Lehrbücher ist durchaus berechtigt; die englische Lehre vom Verbot des
Handels mit dem Feind bietet in ihrer völkerrechts-wissenschaftlichen
Entwicklung das genaue Gegenstück zu dem, was hier S. 92 fg. festge-
stellt ist.
Auch MarTITZ führt uns in seiner Abhandlung über die Entstehung
des neuen Gotthardbahnvertrags vom 13. Oktober 1909 auf diplomatische
Verhandlungen bedeutender Art. Sie liegen uns hundert Jahre näher und
sind uns doch heute ferner als jener Seerechtsvertrag zwischen England
und Rußland. Wir sehen mit Bedauern, wie die englische Politik —
durchaus nicht durch geistige Ueberlegenheit ihrer Führer oder eigentliche
Geschicklichkeit, sondern durch die Hartnäckigkeit ihrer Willenskraft —
im Vergleich mit dem deutsch-italienischen Vorgehen gegen die Schweiz
glänzend besteht. MArrırz hat die Richtigkeit des deutschen Rechts-
standpunkts gegenüber der Verstaatlichung der Gotthardbahn hier von
neuem mit den besten Gründen verfochten; er läßt aber auch erkennen,
daß die Art, iu der die beiden Großstaaten der Schweiz zu Leibe gingen,
politisch recht bedenklich war. Das gehört aber glücklicherweise in die
abgeschlossene Geschichte, die nicht mehr in die Gegenwart hineinwirkt.
Zwei Beiträge behandeln das unerschöpfliche Thema der Grenzen zwi-
schen öffentlichem und privatem Recht und der daraus entstehenden Kom-
petenzkonflikte. DIcKEL unterzieht den Rechtsstreit der katholischen
Kirchengemeinde Grafschaft gegen den preußischen Fiskus wegen der Be-
stellung eines zweiten Geistlichen und die nachträgliche Erledigung des
Streits durch eine „im Gnadenweg“ erlassene königliche Verordnung zur
Remedur des rechtskräftigen Urteils einer Betrachtung, die insbesondere
sich auch auf die Vorwürfe erstreckt, die dem damaligen Justizminister
Mühler wegen seines die Autorität der Gerichte erschütternden Vorgehens
gemacht worden sind. Er kommt zum Ergebnis, daß diese Vorwürfe im
vorliegenden Fall keinen Anhalt finden, weil das Urteil, gegen das die Ver-
waltung vorging, gar nicht rechtskräftig gewesen sei, sondern absolut
nichtig; so sind seine Ausführungen mehr auf die Lehre von der Urteils-
nichtigkeit als auf die materielle Lage in jenem Kirchenstreit eingestellt.
Dagegen beschäftigt sich TRIEPEL in seinem Aufsatz über den Konviktorien-
beitrag der Landschaft Norder-Dithmarschen eingehend mit der Abgrenzung
zwischen Privatrecht und öffentlichem Recht (S. 532 fd.), die hier übri-
gens auch intertemporal sehr kompliziert ist. Ich pflichte TrıEPEL darin
vollkommen bei, daß nicht die angeblich öffentlich-rechtliche oder privat-
rechtliche „Natur“ der anzuwendenden Gesetzesvorschriften — diese Natur
gibt es gar nicht — sondern der Charakter des Lebensverhältnisses ent-