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jene Theorien haben für die Staatslehre und ihre Entwicklungsgeschichte
eine selbständige Bedeutung neben den materiellen politischen Ideen, deren
Verwertung sie dienen: indem sie für die in der Staatsgeschichte mit und
gegeneinander wirkenden politischen Triebkräfte staatswissenschaftliche
Formen auszubilden suchen, ermöglichen sie es erst, diese Kräfte in der
gedanklichen Struktur der staatlichen Verfassung als feststehende Elemente
konstruktioneller Berechnung zu verwerten. Ein Beispiel mag erläutern,
wie ich mir Wesen und Funktion derartiger politischer Formaltheorien
denke: der Theorie des Staatsvertrages kann nicht die an sich ihr logisch
scheinbar zugrunde liegende materiell-politische Vorstellung einer politi-
schen Selbstberechtigung der Volksgesamtheit als wesentlich zugerechnet
werden, denn sie deckt die politischen Ideen sowohl der radikalen Demo-
kratie, wie der absoluten Monarchie; für beide gibt sie nur die staats-
theoretische Form,
Zwei solcher staatstheoretischen Formen politischer Ideen sind das
monarchische Prinzip und die konstitutionelle Theorie, die Gegenstand der
hier zu besprechenden Untersuchungen sind. Bei beiden handelt es sich
nicht sowohl um unmittelbare politische Ideen, als vielmehr um staats-
wissenschaftliche Theorien, die nur mittelbar der Verwertung politischer
Ideen dienen sollen. Ob sie ein taugliches Mittel dazu sind, ist eine andere
Frage. Die Beurteilung ihrer eigenen Bedeutung ist jedenfalls nur mög-
lich bei Berücksichtigung dieses, ihres formalen Charakters. Ohne dessen
Berücksichtigung stellen sich ihrer Erklärung und Würdigung, wie die Er-
gebnisse sowohl der MEISNERschen als der MAIrRschen Untersuchungen
beweisen, unüberwindliche Schwierigkeiten entgegen. Im einzelnen kann
das erst im Laufe der Besprechung gezeigt werden.
I. MEISneEr beginnt seine wertvolle Darstellung des monarchischen Prin-
zips e contrario, indem er zunächst die Entwicklung der parlamentarischen Re-
gierungsweise in England schildert. Dabei bringt er diese in interessanten
Zusammenhang mit der Geschichte des Kabinetts und dem Bedeutungs-
wandel dieses Begriffes, ohne jedoch die gerade in der Institution der ver-
antwortlichen Räte liegenden wichtigen Zusammenhänge mit dem ständi-
schen Staatswesen zu beachten, auf die SCHVARZ und G. JELLINEK auf-
merksam gemacht haben. Für die Erkenntnis des Parlamentarismus in
England liefert das Kapitel nichts so wesentlich neues, daß es zur gegen-
sätzlichen Erklärung des monarchischen Prinzips unentbehrlich erscheinen
könnte.
Der zweite Abschnitt über die Geschichte des monarchischen Prinzips
in Frankreich bringt eine gründliche Darstellung der betreffenden Bestim-
mungen der Charte Ludwigs XVIII. und der Verfassung der hundert Tage
sowie der Entstehungsgeschichte beider unter Hervorhebung der Ideen
CHATEAUBRIANDs und B. ConSTANTs und deren Bedeutung für jene Ver-
fassungen. Viele interessante Einzelheiten vereinigen sich hier zu dem